Ihr Lieben,
wer vor zwei Wochen im Gottesdienst war, erinnert sich:
es ging schon einmal um dieses sperrige Gleichnis für die Nachfolge, das
wir gerade noch einmal gehört haben.
Ein wohlhabender Mann verteilt sein Vermögen an die Angestellten und geht
außer Landes.
Als er zurückkommt, fordert er Rechenschaft und einer hat nichts vorzuweisen.
Er hat sorgsam verwahrt, was man ihm gab, aber das war auch alles.
Wie hören wir diese Geschichte?
Fast automatisch kreisen unsere Gedanken um diesen einen, der am Ende nichts
hat.
So ist es eine schrecklich druckmachende Geschichte; die Fleißigen werden
belohnt und die Zaghaften verlieren am Ende.
Manch einer erinnert sich an düstere Gemälde des Endgerichts im Stile
Stefan Lochners, als man den Leuten gezielt Angst einjagte, um sie moralisch
zu disziplinieren - übrigens wohl kaum mit Erfolg.
Oder ermutigt uns diese Geschichte dazu, unsere Zeitgenossen säuberlich
einzuteilen in die rechten Christen, mit denen man schon jetzt Verabredungen
im Himmelreich treffen kann und die im Stillen verachteten Anderen, die am Ende
- vielleicht schon jetzt - die fromme Gemeinschaft stören?
Wir haben vor zwei Wochen versucht, dieses Gleichnis als eine Trostgeschichte
zu hören - weil uns eben unendlich viel schon gegeben ist - lange bevor
wir etwas leisten für Gott.
Was für ein großzügiger und reicher Herr! Was für eine
Freiheit, die er seinen Leuten lässt!
Wir haben uns die Gaben vor Augen gestellt, die Jesus uns gibt:
Jesus gibt denen, die ihm folgen, geistliche Gaben - fünf davon habe ich
genannt:
1. Er gibt den Heiligen Geist, die Kraft, die in Menschen wirkt, Dinge
im Glauben zu wagen, die sonst ungeschehen blieben.
Jesus gibt uns 2. sein Wort - die Bibel. Was für ein Schatz. Anders
als alle Literatur erfahren durch die Bibel immer wieder: hier bin ich direkt
angesprochen - über alle Zeiten und Grenzen hinweg. In der Bibel steckt
eine Kraft.
3. "Meinen Frieden gebe ich Euch" - was für eine Zusage
unseres Herrn! Was jeder Mensch im Tiefsten ersehnt, das gibt Jesus uns: tief
drinnen zu wissen: es ist gut, wie es ist. Ich brauch keine Angst mehr vor der
Zukunft zu haben, der Neid auf die Anderen kann sich lösen. Jesus kann
ein Herz damit erfüllen, das man weiß: Ich komme nicht zu kurz!
Wir haben 4. einen einzigartigen Zugang zu Gott, dem Vater durch Jesus:
Wir können zu jeder Zeit und an jedem Ort mit Gott reden - wie mit einem
Freund. Nie fallen wir lästig. Weite Pilgerreisen zu heiligen Orten sind
nicht nötig. In Jesus haben wir ständig Online-Verbindung.
Und dieser Zugang führt uns nicht zu einem fernen, heiligen und beängstigenden
Gott, sondern zum himmlischen Vater. Wir sind 5. angenommene Kinder - und
Erben. Nicht Gäste, nicht Besucher, nicht Freunde, sondern Teil der
Familie, gewissermaßen Hausherren im Tempel Gottes.
Fünf wunderbare Gaben, die uns im Glauben geschenkt sind. Nicht jeder hat
sie im gleichen Maß angenommen - es gibt Unterschiede und auch das ist
eine Botschaft dieses Gleichnisses: es ist in Ordnung, dass nicht alle gleich
glauben! Es gibt Unterschiede.
Die Frage ist: was machen wir aus dem, was wir an geistlichen Gaben haben?
Im Gleichnis malt Jesus uns zwei Wege vors Auge:
Den Weg der Vermehrung und den Weg des Verbergens.
Die beiden ersten Knechte haben gehandelt und gewonnen im Namen ihres Herren.
Und ihr Reichtum hat sich verdoppelt. Eigentlich muss man ja sagen: sein Reichtum
wurde mehr.
Ihr Antrieb war nicht Eigennutz, sondern Treue dem Herrn gegenüber.
Sie sind die Vorbilder in dieser Geschichte. So wie sie sollen Jünger sein.
Was haben sie gemacht? Was sollen wir tun, wenn wir Gaben des Glaubens haben?
Die Zahl der Menschen vermehren, die diese Gaben haben. Wir sollen weitergeben,
was wir empfangen haben. Darum geht es.
Ich gehe die fünf Gaben noch einmal durch:
1. Wann und wie bekommt ein Mensch den Geist Gottes? Bei allen Mahnungen, dass
Gott mit seinem Geist ganz frei ist und niemand die Gabe des Geistes funktionalisieren
und aus eigenen Interessen missbrauchen kann - es gibt auch das Versprechen
Gottes:
Wenn einer um Gottes Geist bittet, dann gibt Gott ihn auch.
Das setzt voraus, dass andere die Frage danach geweckt haben, weil sie selber
vom Glauben so erzählt haben, dass die Anderen ermutigt wurden. Der Geist
Gottes wird nicht magisch weitergegeben von einem Eingeweihten auf den Nächsten.
Er ist frei und weht, wo er will. Und wo sich jemand ihm öffnet, da kommt
er in ein Leben hinein.
2. Manchen Menschen ist es gegeben, Andere einzuführen in die Bibel. Ihnen
das Wort Gottes lieb zu machen. Sei es durch Verteilen der Bibel wie es die
Gideons tun, sei es durch die Gespräche in einem Bibelkreis oder auch nur
durch eine Grußkarte, auf der ein Bibelwort steht. Wer die Bibel als Lebenswort
für sich entdeckt hat, der hat damit auch eine Berufung: Gottes Wort will
weitergetragen werden. Bis jemand selber beginnt, die Bibel zur Hand zu nehmen,
braucht es viele lebendige Briefe - Menschen, die selbstverständlich und
überzeugt mit der Bibel umgehen. Warum nicht bei einem Geburtstag mit einem
biblischen Segen gratulieren? Oder einen Psalm, den man vorher aufmerksam ausgesucht
hat, lesen.
Wir haben einen Schatz mit der Bibel. Behalten wir ihn nicht für uns!
3. Auch den Frieden, den man selber in Christus erfährt, kann und sollen
wir weitergeben. Wer mit Gott versöhnt ist, der soll sich versöhnen
mit Anderen. "So viel an Euch liegt, so haltet mit allen Menschen Frieden!"
mahnt Paulus einmal seine Leser.
Jesus hat die Friedensmacher selig gepriesen. Wo immer sich jemand dafür
einsetzt, dass menschliches Miteinander verbessert wird, kann ein Hinweis auf
den Herrn der Geschichte daraus werden.
4. Das Gebet lernen Menschen von Christen. Der große Evangelist, Gemeindeleiter,
Missionar, Theologe, Dichter und Friedensstifter Nikolaus Ludwig Graf v. Zinzendorf
hat geschildert, wie er das Beten gelernt hat: als kleiner Junge von 7-8 Jahren
durfte er seiner Großmutter beim Beten zuhören. Den ganz unbefangenen
und selbstverständlichen Umgang dieser Henriette v. Gersdorf hat Zinzendorf
übernommen - und wurde nicht zuletzt dadurch zu dem, was er war. Beten
wird gelernt, indem man Beten erlebt.
Mit meiner Tochter Heinke erlebe ich das zur Zeit: abends beten wir so, dass
ich laut bete - Satz für Satz . Und sie wiederholt einfach. Satz für
Satz - manchmal fragt sie nach, was ich gemeint habe. So beten wir.
Das Weitergeben der Gabe des Gebets gilt aber nicht nur für Kinder.
Auch Gebetsgemeinschaften im vertrauten Kreis gehören hier hin. Ich selber
hab als frischer Christ mein Beten im Jugendkreis und dann im Hausbibelkreis
Schritt für Schritt gelernt.
Wenn so Menschen das beten lernen, dann vermehrt sich der Schatz, den Jesus
in unsere Hände gelegt hat.
5. Das Wissen, ein Kind Gottes zu sein, wird vermehrt, wenn Menschen neu ermutigt
werden, dieses große Geschenk anzunehmen. Wir bieten Jahr für Jahr
im November das Gemeindeseminar an. Es will informieren über Jesus - und
es will einladen, den Glauben anzunehmen. Auch in diesem November werden wieder
sechs Abende angeboten. Und wieder suchen wir ein Team, das in der Vorbereitung
und Durchführung mitmacht.
Den eigenen Glauben weitergeben - das ist der eine Weg, den Jesus aufzeigt.
Die beiden ersten Knechte tun offenbar das ganz Normale, was sie vorher auch
getan haben.
Nichts Krampfhaftes, nichts besonders Waghalsiges, sondern einfach ihren Dienst.
Der andere Weg, den Jesus mit dem dritten Knecht, beschreibt, ist der Weg des
Verbergens.
Wie kommt es dazu, dass dieser eine in seinem Dienst scheitert?
Und der Dienst im Gleichnis, der steht für den Glauben im Leben. Es gibt
also eine Form des Glaubens, die am Ende scheitert. Was kann das sein?
Was hat der dritte Knecht falsch gemacht? Immerhin hat er doch das bewahrt,
was er bekam.
Er hat es nicht veruntreut, nicht verloren. Trotzdem verliert er alles. Warum?
"Herr, ich wusste, dass du ein harter Mann bist: du erntest, wo du nicht
gesät hast, und sammelst ein, wo du nicht ausgestreut hast; und ich fürchtete
mich, ging hin und verbarg deinen Zentner in der Erde. Siehe, da hast du das
Deine."
Wenns kein Gleichnis wäre, Jesus hätte in diesem Moment sicher angefangen
zu weinen.
Dieser eine hat seinem Herrn nie vertraut. Er hatte Angst vor ihm.
Er wurde gejagt von der Furcht, nicht genug geleistet zu haben und nicht angenommen
zu sein. Und diese Furcht hat ihn gelähmt, hat ihm das normale Handeln
unmöglich gemacht.
All das, was das Hören dieses Gleichnisses bei uns auslösen kann,
wenn man es ernstnimmt, all das ist verkörpert in diesem Einen. Er hat
die Angst, die uns befallen könnte im Hören.
Und Angst und Liebe - diese beiden Gemütsregungen schließen sich
aus.
Weil sie in die entgegen gesetzte Richtung blicken: die Angst sorgst sich um
sich selber - die Liebe sorgt sich um den Anderen.
Wo Furcht ist, da ist keine Liebe. Aber die wahre Liebe treibt die Furcht aus.
(1. Joh. 4,17f)
Im Blick auf Gott gilt: wer sich vor Gott fürchtet, der kann ihm seine
Liebe nicht wirklich glauben. Der hat Gott nicht erkannt. Wie oft ruft die Bibel
Menschen zu: Fürchtet Euch nicht! Vermutlich, weil wir so verzagte Leute
sind. Weil die Angst uns viel vertrauter ist als der Glaube an den liebenden
Vater.
Es ist ja übrigens gerade der, der am wenigsten bekommen hatte. Je weniger
einer an Glaubensreichtum entdeckt hat, desto anfälliger ist er für
die Furcht.
Was tun mit dieser Furcht, die das Glauben so schwer macht?
Das Gleichnis beantwortet diese Frage nicht. Was es tut, ist dies: nimm Deine
Furcht ernst. Sie kann die Macht haben, Dich von Gott zu trennen. Insofern ist
die wie Schuld - auch wenn sie nicht Schuld ist. Was also tun?
Wen die Furcht plagt, der gehe genau damit zu Gott. Nicht erst, wenn er wiederkommt,
sondern gleich. Im Gebet können wir Gott genau das sagen - dass unser Bild
von ihm so getrübt ist - woher auch immer. Damit Er mit seiner Klarheit
unsere Furcht vertreibt.
Damit wir das Fürchte Dich nicht! endlich auch für uns hören
können
Wer allein nicht mit der Furcht klar kommt, der suche Hilfe - einen Seelsorger,
mit dem er gemeinsam beten kann um Befreiung. Wen das Gleichnis unruhig macht,
der gehe mit dieser Unruhe zu Gott und bitte ihn um Frieden. Gott will uns gerne
damit beschenken.
Amen!
Björn Heymer
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