Predigt zu Matthäus 5, 13 - 16, 7. Sonntag nach
Trinitatis 2003 - Drucken
Ihr Lieben,
wer jetzt nicht zu den Urlaubsreisenden gehört, der freut sich auf eine
etwas ruhigere Zeit - sind doch die Sommerwochen mit ihrer Hitze schon anstrengend
genug, oder?
Im Kirchenjahr ist der Sommer die festlose Zeit. Und da nimmt man sich thematisch
Fragen vor, die sonst nicht vorkommen.
Heute geht es um Folgendes:
Was unterscheidet uns, die Versammlung der Glaubenden von dem großen Rest
der Welt?
Mindestens einmal hat Jesus eine programmatische Rede gehalten - wir kennen
sie als die Bergpredigt. Darin enthalten ist auch eine Antwort von Jesus auf
diese Frage. Sie lautet: Ihr seid das Salz der Erde.
Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts
mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den
Leuten zertreten.
Ihr seid das Licht der Welt.
Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein.
Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern
auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht
leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im
Himmel preisen.
Übrigens - diese Sätze sind die Kernsätze des Gemeindeleitbildes,
das wir hier in der Philippus-Gemeinde gefunden haben. Sie sollen uns Orientierung
geben, uns herausfordern und uns sagen, was das Besondere gerade an unserer
Gemeinde ist.
Für evangelische Ohren ist die Antwort, die Jesus hier gibt, ganz unerwartet.
Was unterscheidet uns von der Welt?
Es ist nicht die Taufe.
Auch nicht das Bewusstsein der eigenen Schuld oder die Bekehrung zum Glauben.
Nicht die Rechtfertigung allein aus Glauben - so hätte die lutherische
Lehre geantwortet.
Sicher auch nicht die Mitgliedschaft in der Kirche.
Von all dem redet Jesus nicht, wenn er vom erkennbaren Unterschied redet.
Eure guten Werke sind es. Sie unterscheiden Euch von den Anderen!
Gute Taten? Ja, es geht beim Christsein um den Lebensstil. Darum, was ihr anders
macht, was ihr lasst oder eben bewusst und sichtbar tut.
Mir ist an dieser Stelle eine Fabel eingefallen, die Sören Kirkegaard,
der große dänische Philosoph und Christ einmal erzählt hat: Die Christen leben wie Gänse auf einem Hof. An jedem siebten Tag wird
eine Parade abgehalten, und der beredsamste Gänserich steht auf dem Zaun
und schnattert über das Wunder der Gänse. Er erzählt von den
Taten der Vorfahren, die einst zu fliegen wagten und lobt Gnade und Barmherzigkeit
des Schöpfers, der den Gänsen Flügel und den Instinkt zum Fliegen
gab. Die Gänse sind tief gerührt, senken in Ergriffenheit die Köpfe
und loben die Predigt und den beredten Gänserich. Aber das ist auch alles.
Eines tun sie nicht: sie fliegen nicht! Sie gehen zu ihrem Mittagsmahl. Sie
fliegen nicht, denn das Korn ist gut, und der Hof ist sicher.
So ist das mit den Gänsen.
Aber zurück zur Bergpredigt: Ihr seid das Licht der Welt - das Bild ist einleuchtend und schnell erklärt:
Wenn man eine Lampe anzündet, dann sieht man das auch. Das ist schließlich
der Sinn einer Lampe. Die Häuser damals in Galiläa hatten kaum Fenster,
damit es auch im Sommer kühl darin blieb. Öllampen aus Ton gehören
zu den häufigsten Funden aus jener Zeit.
Eine angezündete Lampe, die wird gesehen - und sie hilft, sich zurecht
zu finden im Dunkel.
Ihr Lieben - sagt Jesus. So wie die Lampe für das dunkle Haus seid ihr
für die Welt, wenn ihr mir nachfolgt.
Das Licht ist ein durch und durch positives Bild. Es wird gebraucht wie das
Salz in der Nahrung. Eine angezündete Lampe stellte man so hin, dass ihr
Licht weit strahlen konnte - nicht unter einen Schirm, erst recht nicht versteckt
unter eine Schüssel oder einen Eimer.
Was bei der Lampe völlig klar ist, scheint für viele im Leben gar
nicht klar zu sein.
Ihr seid das Licht der Welt - nicht: Ihr könntet hin und wieder ein kleines
Lichtlein sein.
Auch wenn es heute nicht so gut anschaulich zu machen ist, weil die Sonne so
schön strahlt - Dunkelheit gibt es viel - auch mitten im Sommer!
Wo durch ein unbedachtes, schnell daher geredetes Wort ein Anderer tief verletzt
wurde, das breitet sich Dunkelheit aus.
Wo jemand nicht dazu stehen kann, dass er etwas falsch gemacht hat, da ist es
finster - in dem Betroffenen, aber auch um ihn herum.
Unbußfertigkeit und Starrsinn vergiften das Miteinander.
Auch dort, wo Angst ein Herz in die Zange nimmt - Angst vor dem Ausgang einer
Krankheit, Angst vor Einsamkeit - oder vor einer Begegnung mit ungewissem Ausgang,
auch da spricht die Bibel von Dunkelheit.
Und - überall, wo Unordnung herrscht, da ist es dunkel.
In der Sprache der Bibel ist damit gemeint:
Wenn Menschen nicht nach Gottes Geboten leben, dann leben sie in Dunkelheit.
Das gilt für die zehn Gebote ebenso wie für das natürliche Empfinden,
was gut ist und was schlecht. Ungerechte Verhältnisse verbreiten Dunkelheit.
Wo immer Menschen anderen Gewalt antun, wo Grenzen nicht respektiert werden,
herrscht bald Chaos und Finsternis.
Sie merken, es fällt relativ leicht, die Dunkelheit zu beschreiben. Es
fällt uns auch leicht, darüber zu klagen.
Aber das ist auch wahr: Besser ist es, ein Licht anzuzünden, da, wo es
dunkel ist.
Was könnte die dunkle Welt heller machen? Was erwartet Gott von uns?
Ich spür, dass es platt klingen würde, wenn ich jetzt Beispiele auflisten
würde. Platt und gesetzlich. Und wir kämen ins Diskutieren und Streiten.
Über gute Werke sollen wir nicht streiten - wir sollen sie einfach tun.
Jesus bleibt auf der Bildebene - weil er sicher ist: das verstehen wir schon!
Wir spüren ganz gut, wenn wir gefordert sind, im Namen Gottes etwas Mutiges
zu tun, oder?
Konkret kann das sehr verschieden sein. Aber ein Gemeinsames gehört dazu:
Licht verbreitet sich da, wo die Welt in Ordnung kommt. Wo Beziehungen geheilt
werden, wo Verletzungen ausheilen können, wo Ungerechtigkeit durch Recht
ersetzt wird.
Die Liste ließe sich fortsetzen.
Wenn Jesus vom Licht spricht, dann greift er die Bildersprache des Schöpfungsberichtes
auf: Am Anfang, ohne Gott, war nichts als Dunkelheit, Unordnung, Chaos. - so
weit klar.
Und dann redete Gott - und es wurde hell. Das Wort Gottes macht aus Dunkelheit
Licht.
Jesus ist das eine Wort Gottes. Von sich selbst spricht Er als dem einen Licht
der Welt.
Und wo immer etwas getan wird aus dem Geist Jesu heraus, da breitet sich Licht
aus.
Darum geht es. Nicht um guten Taten an sich.
Sondern darum, was Menschen dazu bewegt, gerade so und nicht anders zu handeln.
Gerade jetzt noch einmal zu verzeihen.
Diesem Fremden vor der Tür doch freundlich zu begegnen.
Oder den ersten Schritt zur Versöhnung zu gehen.
All das sollen wir tun. Nicht einmal, nicht sieben mal oder 77 mal, sondern
es sollte selbstverständlich sein für einen, der Jesus kennt. Als
Grundhaltung des Umgangs miteinander. Für die Gemeinde heißt das:
eine Gemeinde ist nur dann Gemeinde Jesu Christi, wenn sie Gemeinde für
Andere ist - und das heißt: wenn sie nicht sich selber genügt.
Nun gibt es bei den guten Werken des Glaubens zwei Gefahren:
Einerseits eine übergroße Bescheidenheit. So nach dem Motto: bloß
nicht auffallen!
Die Stadt oben auf dem Berg sieht jeder. Das Licht im dunklen Raum kann sich
gar nicht verstecken. Es wäre nicht das Schlimmste, wenn die Leute über
uns, die Gemeinde reden.
Schlimm wäre es, wenn sie nichts Gutes fänden, worüber zu sprechen
wäre.
Wir brauchen unser Licht nicht unter den Scheffel zu stellen - tue Gutes und
rede darüber - das wäre eine Devise im Sinne Jesu.
Die andere Gefahr ist die: dass die Leute nur uns sehen. Vielen ist es ja peinlich,
über Gott zu sprechen. Da bleibt man doch lieber still. Wer wollte schon
von sich sagen: "Ich lebe aus tiefster Dankbarkeit Gott gegenüber.
Weil ich von ihm so reich beschenkt bin, deshalb fällt es mir leicht, Zeit
für Andere aufzubringen - oder mein Geld zu teilen."
Das Bekenntnis zu Gott gehört dazu, damit die guten Werke richtig verstanden
werden.
Nicht übertrieben oder penetrant, aber doch bei Gelegenheit gesagt.
Sonst wird Gott nicht gelobt, wenn Menschen aus seiner Kraft heraus Gutes tun.
Wir in der Philippus-Gemeinde wollen daran erkannt werden, dass wir hier die
Liebe Gottes tatkräftig weitergeben - und dass bei uns auch von Gott gesprochen
wird.
Beides zusammen macht uns zu einer missionarischen Gemeinde. Zu einem Ort, wo
Gott gefunden werden kann. Deswegen stehen diese Sätze im Leitbild.
Ein letztes sei auch noch gesagt: das Bild vom Licht sagt auch: die Strahlkraft
haben wir nicht aus uns heraus. So tolle Hechte sind wir hier alle nicht. Wie
eine Kerze immer wieder von außen angezündet werden muss, so sind
wir eine Gemeinschaft von Leuten, die auf Gottes Zuwendung, auf seine Vergebung
und seinen Geist angewiesen sind, um überhaupt Gemeinde zu sein. Die Feier
des Abendmahls hat Jesus seiner Gemeinde dazu gegeben:
Ein Ort der Ermutigung und Neuausrichtung zu sein. Heute neu zu hören: Du darfst so kommen wie Du bist. Du bist eingeladen. Das Wesentliche für
Dein Leben bekommst Du geschenkt. Der Tisch ist gedeckt. Komm und lebe als Versöhnter
Gottes.