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Ihr Lieben,
wer die
Fehler der Vergangenheit vergisst, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen!
Positiv gesagt: wer das, was gewesen ist, ehrlich bedenkt und daraus lernt, der gewinnt daraus Hinweise, wie das Leben besser gelingen kann. So macht Erinnerung Sinn, so ist es wert, sie festzuhalten und aufzuschreiben. Das haben die ersten Christen gewusst und deshalb gibt es die Apostelgeschichte – das Geschichtsbuch über die ersten Jahre der christlichen Kirche.
Aus diesem Buch hören wir heute einen kurzen Abschnitt über eine Fehlentwicklung und wie man damit umgegangen ist.
In
diesen Tagen aber, als die Zahl der Jünger zunahm, erhob sich ein Murren unter
den griechischen Juden in der Gemeinde gegen die hebräischen, weil ihre Witwen
übersehen wurden bei der täglichen Versorgung. Da riefen die Zwölf die Menge
der Jünger zusammen und sprachen: Es ist nicht recht, dass wir für die Mahlzeiten
sorgen und darüber das Wort Gottes vernachlässigen. Darum, ihr lieben Brüder,
seht euch um nach sieben Männern in eurer Mitte, die einen guten Ruf haben und
voll heiligen Geistes und Weisheit sind, die wir bestellen wollen zu diesem
Dienst. Wir aber wollen ganz beim Gebet und beim Dienst des Wortes bleiben.
Und die Rede gefiel der ganzen Menge gut; und sie wählten Stephanus, einen Mann
voll Glaubens und heiligen Geistes, und Philippus und Prochorus und Nikanor
und Timon und Parmenas und Nikolaus, den Judengenossen aus Antiochia. Diese
Männer stellten sie vor die Apostel; die beteten und legten die Hände auf sie.
Und das Wort Gottes breitete sich aus, und die Zahl der Jünger wurde sehr groß
in Jerusalem. Es wurden auch viele Priester dem Glauben gehorsam.
Was war denn da los? Die Gründung der Gemeinde lag vielleicht gerade mal zwei Jahre zurück. Es war ein ungeheuer dynamischer Anfang – geprägt von einer großen Begeisterung aller, die sich da versammelten. Wie selbstverständlich teilten die ersten Christen nicht nur den Glauben miteinander – man lud sich häufig in die Privathäuser ein, man aß und trank miteinander und – man teilte alles miteinander. Reiche gaben ihren Reichtum in die gemeinsame Kasse – Armen wurde nach Möglichkeit geholfen. Keiner sagte von seinen Sachen mehr: Die gehören mir ganz allein! Man lebte urchristlichen Liebeskommunismus.
Aber offenbar ging das nicht lange gut: Bald bildeten sich zwei Gruppen – die jeweils nur für sich dachten. Die hebräischen und die griechischen Juden nennt Lukas diese Gruppen.
Juden, weil der Name Christen noch gar nicht erfunden war – und Juden waren sie ja fast alle.
Warum griechische Juden? Hebräisch, das war klar, das war die Sprache der Bibel.
Griechische Juden, das waren Juden, die außerhalb des kleinen Landes Israel aufwuchsen - in Ägypten, in Italien, Griechenland oder der Türkei. Und dort jeweils in einer heidnischen Umgebung lebten. Und die Umgebung hat ihr Denken mit geprägt.
Die griechischen Juden waren mehr als die Juden in Israel Teil einer von der griechischen Philosophie geprägten, damals im ganzen Mittelmeerraum modernen Kultur. Natürlich sprach man griechisch, wenn man mit Heiden zu tun hatte – das war die Weltsprache damals. Natürlich nahm man am öffentlichen Leben teil, ging ins griechische Theater, befolgte das griechische Recht und – beschäftigte sich mit der griechischen Vorstellung von Religion.
Und blieb dabei Jude –
man kann sagen, Jude mit modernen Ansichten: man gab den Kindern keine biblischen,
sondern griechische Namen, man las die Bibel auf griechisch, man ging ins Gymnasium
– obwohl, das war aus zwei Gründen schwierig: die Bibel lehnt den Körperkult
der Sportstätten ab; Juden zeigten sich nicht öffentlich nackt! und: Wenn ein
Jude das doch tat, zeigte er, dass er beschnitten war – das aber galt
als hoffnungslos rückständig und veraltet. Wer als junger Mann sich nicht verspotten
lassen wollte, versuchte sogar, die Beschneidung durch eine Operation wieder
zu vertuschen. Das führte wiederum zu heftigen Diskussionen im Judentum: Muss
man nicht den Geboten gehorchen? Verraten wir nicht unseren Glauben, wenn wir
uns kulturell anpassen?
Auch in der ersten Gemeinde lebten manche offenbar unbekümmert angepasst an die moderne heidnische Kultur.
Die Anderen sahen in allem Neuen eine Gefahr für den Glauben und lehnten jede Abweichung von den Geboten der Bibel entschieden ab.
In der ersten Christengemeinde tobte ein Kampf um die Haltung zur Kultur. Das war viel mehr als die Frage, ob auch alle bei der Suppenausteilung bedacht wurden.
Dieser alte Streit wird bis heute in jeder Generation neu gestritten. Heute wie damals gibt es die Konservativen, die mit sich selber und mit anderen sehr streng sind, die sehr daran interessiert sind, die Bibel möglichst genau zu lesen und alles zu befolgen, was darin steht.
Und es gibt die Anderen – Kinder ihrer Zeit, die nicht leichtfertig, sondern sehr ernsthaft Glaube und Gegenwartskultur zusammenbringen wollen. Am Beispiel der Musik haben wir es heute im Gottesdienst am deutlichsten erlebt. Die Frage, was angemessen ist, ist so alt wie die Kirche! Und wie geht man gut mit den unterschiedlichen Ansichten um?
Lukas hat erzählt, was die Apostel damals getan haben:
1. Die Apostel berufen neue Menschen in den Dienst.
2. Sie segnen den Neuanfang.
„Seht Euch um nach sieben Männern in Eurer Mitte.“
Eine Gemeinde, in der Streit herrscht, verliert ihre Strahlkraft, verliert ihre Glaubwürdigkeit. Die Leiter versuchen nun nicht etwa, die Unterschiede aufzulösen. Nein, sie machen beide Seiten stark. Sie berufen neue Menschen in den Dienst. Das Erkennen und Annehmen der eigenen Berufung ist die Voraussetzung, um mit Unterschieden gut umzugehen.
Wie geschieht es, dass Menschen zu einer bestimmten Aufgabe berufen werden?
Berufen, d.h.: von Gott ausgesucht und ausgestattet mit den nötigen Begabungen.
Wer kann das schon von sich sagen: ich bin berufen, dies oder jenes zu tun?
Wir alle sprechen von dem Beruf, den jemand hat – und beobachten doch mehr und mehr, dass dies immer seltener wird: Die Arbeit, die jemand tut, wird oft gerade mal abgeleistet – man macht halt seinen Job, aber leben? Das tut man woanders. Kennen Sie noch Menschen, die in ihrem Beruf so richtig aufgehen? Daran erkennt man Berufung:
Jemand tut etwas einfach, weil er es gerne tut. Ich hab jetzt von einem Team von Beleuchtern bei einer Fernsehproduktion gehört, die haben nicht nur für das Licht gesorgt, sondern hatten in ihrem Wagen eine Cappuccino-Maschine installiert und bewirteten das ganze Team immer wieder mit Kaffee, Gebäck und so weiter. Sie hatten Stühle und Tische da, banden sich die Kellnerschürze um. Man merkte – sie waren mit Begeisterung dabei, für das Team zu sorgen – Berufung! Wenn von Menschen ein guter Geist ausgeht, wenn man sich gerne in ihrer Nähe aufhält, dann sind das Spuren einer Berufung. Das gibt es nicht nur in der Gemeinde, erst recht nicht nur bei den sog. Geistlichen. Es gibt Krankenschwestern aus Berufung ebenso wie Techniker oder Mütter. Menschen mit Berufung erkennt man daran, wie sie die Aufgaben tun, die ihnen übertragen sind.
Seht Euch um! Ihr werdet die schon finden, die Gott zu etwas berufen hat! Das geschah damals. Und dann gehört zu einer Berufung im Bereich der Gemeinde noch das Andere:
„Sie
stellten die sieben vor die Apostel, die beteten für sie und legten ihnen die
Hände auf, also: segneten sie.“
Wir haben das weitgehend vergessen. Nur bei Pfarrern und bei Presbytern schreibt unsere Kirchenordnung das so vor. Dabei hat die Urgemeinde dies zwar nicht leichtfertig, aber doch vielfältig getan: Menschen für bestimmte Aufgaben öffentlich einzusetzen.
Im Juni haben wir im gemeinsamen Gottesdienst mit der koreanischen Han-Bit Gemeinde erlebt, dass dies auch heute geht: da wurden zwei Gemeindeglieder für je einen Dienst berufen und gesegnet: der eine für die Öffentlichkeitsarbeit, der andere für die Kinderkirche.
Beides Ehrenamtliche!
Wenn wir in unserer Gemeinde den Segen Gottes stärker erfahren wollen, dann brauchen wir mehr Menschen, die sich ihrer Berufung gewiss werden, die auch zu Diensten in der Gemeinden berufen und gesegnet werden. Das ist etwas ganz anderes als wenn sich einer selber in eine Aufgabe berufen fühlt. Um geistlich für die Gemeinde zu arbeiten braucht es die kritische Prüfung und dann die Bestätigung durch die Anderen.
Keiner segnet sich selber, keiner beruft sich selber.
Denn das Prinzip der geistlichen Berufung gilt auch umgekehrt: wo es vernachlässigt wird, wo in einer Gemeinde Menschen unberufen ihr eigenes Süppchen kochen, da entsteht Streit, da werden Leute übersehen, weil eine solche Gemeinde keine Einheit ist, sondern höchstens ein lockerer Zusammenschluss von Individualisten.
Wo Menschen berufen und gesegnet in den Dienst gehen, da segnet Gott den Neuanfang.
Auffällig ist ja: die sieben neu Berufenen tragen alle griechische Namen. Sie gehören also alle zur Gruppe der griechischen Juden, zu denen, die modern dachten, die keine Angst hatten, sich mit neuen Gedanken, auch mit einer anderen Lebenspraxis zu beschäftigen. Es gehört schon eine gewisse Größe dazu, dass die Apostel gleich sieben aus dieser Gruppe einsetzen. Übrigens: einen von den kennen wir gut: es ist der Philippus, nach dem sich unsere Gemeinde nennt und der uns immer wieder Vorbild sein sollte. Philippus hatte keine Scheu vor der Berührung mit der Kultur der Gegenwart. Er ließ sich vom Geist Gottes leiten und brachte sehr offensiv den Glauben auch Heiden nahe.
Philippus und die anderen waren Leute mit einem brennenden Herz für die Mission.
Und genau darin segnete Gott diesen Neuanfang:
das Wort Gottes breitete sich aus, und die Zahl der Jünger wurde sehr groß in Jerusalem.
Segen eines Dienstes in der Gemeinde bedeutet nicht nur, aber vor allem dies:
- dass mehr Menschen dazu finden, Gott in ihrem Leben Raum zu geben,
- dass Glaube in Gemeinschaft gelebt wird und
- dass immer noch freie Plätze sind, obwohl ständig Neue auftauchen.
Eine gesegnete Gemeinde ist sich selber nie genug, auch wenn die Zahl sehr groß wird.
Denn je mehr Menschen zusammen sind, desto mehr Menschen werden in der Gemeinde ihre Berufung finden und ihre ganz besondere Gabe einbringen.
Amen!