Hier kommen Sie zurück zur Startseite
Termine und Veranstaltungen in der Gemeinde + Linkliste
Gemeindeprofil, Bildergalerie, Artikel, Predigten
Gruppen in unserer Gemeinde (Kigo,Förderverein,Frauenhilfe,Hauskreise)
Adressen, Telefonnummern, Lageplan, Umfrage, Gästebuch
Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an. (1. Samuel 16, 7) Ev. Philippusgemeinde Köln Raderthal Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an. (1. Samuel 16, 7)
Predigt zu 1. Petrus 4, 7 + 8, 9. Sonntag nach Trinitatis 2002 -- Drucken

Ihr Lieben,

erinnern Sie sich noch? Vor knapp einem Jahr haben wir alle gespürt, was Weltuntergangs­stimmung ist: Als am 11. September die Serie von Terroranschlägen in den USA das World Trade Center und das Pentagon trafen, haben wir für einen Moment lang gemerkt: Schlagartig kann alles anders sein, kann es vorbei sein mit unserer Ruhe und Beschaulichkeit.

Der 11. September war mehr als persönliches Pech Einzelner.

Die Grundsicherheit, auf die wir alle unsere Leben gründen, steht radikal in Frage.

Wenn so die Erde wackelt, dann ist es nicht mehr wichtig, was für ein Auto wir fahren oder auch, wieviel Geld auf dem Konto ist. Ich vergesse nicht die verzweifelten Telefonate aus den entführten Maschinen und den brennenden Hochhäusern. Sie machten beklemmend deutlich, was zählt, wenn alles verloren scheint. Vor allem dies: „Wisst, dass ich Euch liebe!“

Die Werte verschieben sich heilsam – angesichts des Endes wird uns klar, was wirklich zählt.

Der Ursprung der Kirche war eine solche Erschütterung! Die ersten Christen lebten in der festen Überzeugung: „Diese Welt ist dem Untergang geweiht. Und dieses Ende kommt bald!“

Simon Petrus, der Augenzeuge der Ereignisse um Jesus und dann einer der Gemeindegründer schreibt in einem Brief:

Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. 1. Petrus 4,7

Für Petrus war die Gegenwart nicht nur als einen Moment im endlosen Zeitablauf.

Er hatte die entscheidende Zeitenwende selbst erlebt:

Mit den ersten Auferweckungen von Toten durch Jesus, mit der Austreibung von Geistern und der Heilung Unheilbarer deutete es sich an.

Und als Jesus dann nach seiner Kreuzigung als Lebendiger erschien, wurde es für ihn zur Gewissheit: „Nichts ist mehr so, wie es war. Gottes neue Welt, lange ersehnt und erbetet, sie bricht wirklich jetzt an!“ Es gibt ein vorher und ein seither. Alle Dinge dieser Welt kommen zu ihrem Ende, eigentlich, zu ihrem Ziel.

Seit dem leeren Grab scheint über der ganzen Welt ein Licht, das durch nichts ausgelöscht wird. Eine Hoffnung ist da, für alle, die an den Grenzen dieser Welt leiden.

Das Ziel aller Dinge ist in greifbare Nähe gerückt! Alles Irdische ist vorläufig, das Neue, das Vollkommene von Gott her kommt. Dieser Satz des Petrus ist nicht als Drohung gemeint, sondern als Jubel, als Ausdruck der Hoffnung. Damals und heute auch!

Petrus  will uns heute wachrütteln. Wir sind gefragt: Was erwarten wir für die Zukunft von Gott. Erwarten wir für jetzt, für die Gegenwart etwas?

Unsere Hoffnung prägt unser Handeln. Petrus nennt drei Dinge, die sich aus der Hoffnung auf Gottes neue Welt für die Gegenwart ergeben, ja ergeben müssten:

Es sind drei Kennzeichen einer Gemeinde im Horizont der Weltenwende:

Gebet, Liebe und Dienst

So seid nun besonnen und nüchtern zum Gebet. fährt Petrus fort.

Genau übersetzt: zu den Gebeten.

Nach dem 11. September haben viele Menschen Trost gesucht im Gebet. Wenn alles wackelt, fragen wir unwillkürlich nach einem Halt. Lang gehalten hat dies ebenso wenig wie frühere bewegende Ereignisse, die Menschen kurzzeitig in Gottesdienste führte. Beten aus Berührung heraus, weil uns danach ist, das allein verändert keinen Menschen

In der Gemeinde, an die Petrus schreibt, waren offenbar regelmäßige Gebetszeiten normal. Deshalb die Mehrzahl:  zu den Gebeten..

In der Gemeinde Jesu beten Menschen nicht nur, wenn einem danach ist. Unser Beten sollte nicht abhängig sein von unserer Stimmungslage. Das wäre ein nüchternes Beten:

Den Dienst des Betens ernst nehmen unabhängig von Stimmungslage oder Lust.

Sich treu und regelmäßig Zeit nehmen zum Beten – allein oder mit Anderen zusammen.

Ein solches Gebet ist immer umkämpft – jeder, der sich mal mit anderen verabredet zum Gebet, erlebt das. Da kommen regelmäßig Dinge dazwischen, da werden Leute aus unerklärlichen Gründen müde oder bekommen gar Kopfschmerzen.

Täuschen wir uns nicht: Es gibt Kräfte in der Welt, die uns massiv davon abhalten, nüchtern und besonnen zu beten. Warum?

Weil wir den Deckel einer Schatztruhe anheben, wenn wir beten! Gott wartet nur darauf, uns überraschende Erfahrungen machen zu lassen.

Nicht selten erleben Menschen die Erhörung ihrer Bitte schneller als sie zu hoffen wagten.

Unvergessen ist mir da die Wohnungssuche von Arne Eckau in München – wir hatten nach einem Gottesdienst konkret dafür gebetet.

Gott ist es ja ein Leichtes, ganz unwahrscheinliche Dinge einfach geschehen zu lassen.

Und siehe da, er hatte seine Wohnung fast schneller als er sie brauchte.

Ihr habt so wenig, weil Ihr so wenig bittet! schreibt Jakobus (Jakobusbrief 4,2)

Und: Zum nüchternen Beten gehört, sich in seinem Beten von Gott leiten zu lassen.

Da legt einer Gott nicht einfach einen Wunschzettel vor wie ein Kind vor Weihnachten.

Nüchternes Gebet fragt: Gott, was macht Dir Ehre? Was willst Du mir schenken, damit Dein Name groß werde?

Ich weiß von drei bis vier Gebetsgruppen hier in der Gemeinde. Das ist noch etwas anderes als Bibelgesprächsgruppen oder Hauskreise. Gebet ist ein Dienst in der Gemeinde.

Ein Dienst, für den Menschen eine besondere Berufung hören und den sie dann treu tun.

Es könnten gerne noch mehr werden.

Petrus stellt das Gebet nicht zufällig ganz an den Anfang, wenn er über die Kennzeichen von Gemeinde spricht. Im treuen Beten fallen die Entscheidungen, wie Gemeinde ist.

Seid treu zu den Gebeten, denn das Ziel der Zeit ist nahe!

Das Nächste, gleichsam die Mitte und der Kern von Gemeinde ist dies:

Vor allen Dingen habt untereinander beständige Liebe; fährt Petrus fort.

Kann man Liebe befehlen? Nein! Diese Frage würden wir doch alle zurückweisen.

Liebe? Das ist doch dieser seltsame Cocktail von Empfindungen, Glücksgefühlen und Aufgeregtheit, wenn sich Menschen finden und entdecken. Manch einer wünscht sich wohl, man könne der Liebe irgendwie auf die Sprünge helfen – oder sie erneuern.

Aber so einfach dazu auffordern? Und dann noch in einer Gemeinde, einer Versammlung von Menschen, die so unterschiedlich sind wie nur möglich?

Was die Liebe angeht ist unsere deutsche Sprache arm. Das muss ich hier mal so sagen.

Die Griechen haben drei ganz verschiedene Worte gekannt für das, was bei uns Liebe heißt – da gibt es die Liebe als Beschreibung des prickelnd, spannenden Miteinanders von Männern und Frauen; der kleine Gott Eros war hier der Patron.

Dann hatte man ein Wort für Freundschaft, filia. Gesunde, vertrauensvolle Beziehungen meistens zwischen Männern oder Frauen untereinander.

Und schließlich gibt es etwas Seltsames, das aber auch nach Beschreibung ruft: die beglückende Entdeckung zum Beispiel in der Gemeinde: wir sind im Entscheidenden alle gleich: gleich geliebt von unserem Schöpfer und Vater im Himmel! Deshalb können wir einander nicht gleichgültig sein. Und um dies geht es dem Petrus:

Agape ist das griechische Wort dafür. Es beschreibt nicht ein Gefühl von uns, es beschreibt vielmehr etwas, was sich aus dem Ort ergibt, wo wir leben:

Man hat Agape mit Bruderliebe übersetzt. Ein modernes Wort dafür wäre vielleicht Solidarität.

Wir stellen uns zum Anderen, weil er so ist wie wir. Nicht wegen seiner Leistungen oder Eigenschaften, sondern einfach weil er einer Gruppe angehört.

Einer Familie, einer Firma oder eben einer Gemeinde. Wir gehören zusammen, nicht weil wir uns einander ausgesucht hätten, sondern weil wir auf ein gemeinsames Ziel zugehen.

Das Zitat aus dem Buch der Sprüche bringt uns auf eine erste Spur, wie sich diese Liebe konkret auswirkt: denn »die Liebe deckt auch der Sünden Menge«

Eine Gemeinde im Horizont der Weltenwende erkennt man daran, dass gesündigt wird.

So heilig sind wir noch nicht, dass das Thema Schuld nur die anderen betrifft. Wo immer auf dieser Welt Menschen miteinander zu tun haben, werden sie aneinander schuldig.

Wer etwas anderes behauptet, hat in die eigenen Abgründe lange nicht mehr hineingeschaut.

Und: Eine Gemeinde im Horizont der Weltenwende erkennt man daran, dass Schuld vergeben wird. Dass Menschen einander Neuanfänge erlauben.

Petrus wusste, wovon er sprach. Dreimal hat er seinen Herrn verleugnet, als dieser in Haft kam. Alles, was er vorher versprochen hatte, war nichts mehr wert.

Seine Freundschaft war zerbrochen. Petrus war ein schlechter Freund.

Jesus hat diese seine Sünde zugedeckt. Petrus bekam eine neue Chance.

Schon vorher hat Jesus seinen Jüngern eingeschärft: Vergebt einander, so oft es nötig ist. Nicht zweimal oder viermal, auch nicht zehn Mal. Nein: Die Agape, die geschwisterliche Liebe beginnt erst da, wo ihr selber nicht mehr vergeben könnt.

Wo ihr aufgegeben habt und denkt: Der ändert sich nie mehr. Da geht es erst los.

Erst da unterscheidet sich Gemeinde von der übrigen Welt.

Deshalb ist die Liebe in der Gemeinde nicht etwas, was wir einfach so leben, weil uns gerade danach ist. Nach dieser Liebe wird uns nie sein. Dazu werden wir nie Lust haben.

Petrus ermahnt seine Gemeinde dazu, weil er selbst erfahren hat, dass man nur so beginnt, aus der Kraft der Auferstehung zu leben.

Wenn die Erschütterung des 11. September uns als Gemeinde zu einer Veränderung aufrufen könnte, dann sollen wir in diese Richtung fragen:

Beten wir nüchtern und zuversichtlich? Und

Ist unser Leben in der Gemeinde von der geschwisterlichen, solidarischen Liebe geprägt?

Am nächsten Sonntag gibt´s die Fortsetzung

Amen!

Björn Heymer