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Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an. (1. Samuel 16, 7) Ev. Philippusgemeinde Köln Raderthal Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an. (1. Samuel 16, 7)
Predigt zu Römer 6, 19 - 23, 8. Sonntag nach Trinitatis 2002 -- Drucken

Ihr Lieben,

im frommen Schwabenland soll sich einmal während einer Bahnfahrt folgender Dialog zwischen zwei Brüder einer pietistischen Gemeinschaft ergeben haben:

„Hans, sag amol, wie weit hescht Dus oigentlich bracht in d´r Heiligung?“ Langes Schweigen. Für die Nicht –Schwaben übersetzt: „Johannes, sag mal, wie weit bist Du gekommen auf dem Weg der Heiligung?“ – was meint: Wie weit ist es Dir gelungen, den Maßstäben des Evangeliums zu entsprechen?“

„Woisch,“ antwortete schließlich der Angeredete, „bis zom mi schäma.“

„Bis dahin, dass ich mich meiner Taten schäme“

Heiligung? Sich gegen eigene Widerstände bemühen, dem Willen Gottes im Alltag mehr und mehr zu entsprechen – das ist nicht gerade ein oft diskutiertes Thema.

Ich ertappe mich dabei, viel zu reden und zu denken von evangelischer Freiheit: Jeder muss selber verantworten, was er tut oder lässt.

Verbindliche Normen? Für mich ja, schon. Aber kann ich irgendetwas wirklich von Anderen verlangen? Egal, ob in gesellschaftlichen Fragen, in Fragen der Ethik oder des Umgangs mit Geld – wenn wir überhaupt dahin kommen, ganz konkret miteinander zu sprechen, bleibt doch oft am Ende dies: „Da muss jeder für sich entscheiden.“ Ist in unserer von totaler Entscheidungsfreiheit geprägten Gesellschaft und Kultur überhaupt noch was verbindlich?

Oder ist jede und jeder frei in seinen Entscheidungen?

Heiligung hat viel mit Freiheit zu tun, auch wenn es erst mal gar nicht danach aussieht.

Um Unfreiheit, Freiheit und Heiligung geht es heute morgen.

Drei Fragen sollen uns beschäftigen:

Wie frei sind wir wirklich?

Wie sehen wir unsere eigene Vergangenheit? und

Was ist Heiligung?

Dazu ist uns heute ein Abschnitt aus dem Brief von Paulus an die Römer zum Nachdenken empfohlen. Ich lese aus Römer 6:

19 Ich muss menschlich davon reden um der Schwachheit eures Fleisches willen: Wie ihr eure Glieder hingegeben hattet an den Dienst der Unreinheit und Unge­rechtigkeit zu immer neuer Ungerechtigkeit, so gebt nun eure Glieder hin an den Dienst der Gerechtigkeit, dass sie heilig werden. 20 Denn als ihr Knechte der Sünde wart, da wart ihr frei von der Gerechtigkeit. 21 Was hattet ihr nun damals für Frucht? Solche, deren ihr euch jetzt schämt; denn das Ende derselben ist der Tod. 22 Nun aber, da ihr von der Sünde frei und Gottes Knechte geworden seid, habt ihr darin eure Frucht, dass ihr heilig werdet; das Ende aber ist das ewige Leben. 23 Denn der Sünde Sold ist der Tod; die Gabe Gottes aber ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserm Herrn.

Wie frei sind wir wirklich?

Paulus hat damals eine Gemeinde vor Augen, in der es viele Sklaven gab – Menschen, die ganz äußerlich nicht frei waren. Sie konnten den Wohnort nicht bestimmen, sie wurden verkauft an einen anderen Herren, wenn es Ärger gab – Familien konnten auseinander gerissen werden, Ehen getrennt – Sklaverei ist gleichbedeutend mit einem hohen Maß an Unfreiheit. Andere bestimmen, wie der eigene Alltag abläuft.

Die äußere Unfreiheit, eine Erfahrung, die damals viele in der Gemeinde hatten, die nimmt Paulus nun als ein Bild für unseren inneren Zustand.

Seine Behauptung: Jeder Mensch ohne Gott lebt in so einer Versklavung.

Der Dienstherr heißt „Sünde“. Sünde ist nicht eine Tat von Menschen, sondern eine Macht, die über Menschen bestimmt. Die Folge ist: sie tun, was vor Gott falsch ist: einzelne Sünden.

Freiheit gibt es nicht ohne Verbundenheit mit Gott!

Einspruch! Sind wir nicht freie Menschen? Frei, uns für oder gegen Gott zu entscheiden?

Gehört nicht gerade unsere Freiheit dazu, dass wir Ebenbilder Gottes sind. Wir haben Verstand, Urteilsvermögen und wir haben einen Willen. Wir können entscheiden.

Alles richtig, und doch: In aller relativen Freiheit, die wir haben: wir sind nicht Gott gleich. Keiner entgeht der Zwangsläufigkeit des Todes. Und die meisten Menschen erleben schon lange vor dem Tod Grenzen, die sie nicht überschreiten können, selbst wenn sie wollten.

Ziele werden nicht erreicht. Weder uns selber noch geliebte Menschen können wir wirklich schützen. Jeder macht Erfahrungen von Ohnmacht, von Grenzen.

Dazu gehört auch, dass wir alle rückblickend sagen müssen: es war nicht alles gut, was wir getan haben. Wir sind schuldig geblieben, wir sind hinter unseren Möglichkeiten zurückgeblieben.

Etwas hat uns gebremst, hat verhindert, dass wir ohne Schuld durchs Leben gingen.

Genau das nennt Paulus beim Namen: Die Macht der Sünde, die große widergöttliche Macht, hat und bestimmt. Und das Ergebnis ist der Tod.

Tod bedeutet hier das Ende der Beziehung zum Schöpfer. Die Tatsache , dass nichts mehr bleibt vom Menschen, kein guter Gedanke, kein Wiedersehen im Jenseits. Keine Hoffnung über unser körperliches Leben hinaus. Das ist Tod. Viel umfassender als der körperliche Tod.

Vor diesem Tod fürchten wir uns tief im Inneren. Um nicht so total zu sterben, tun wir fast alles, was wir tun. Wir arbeiten, um etwas zu essen zu bekommen, wir suchen uns Freunde, um nicht schwermütig zu werden, denn Schwermut ist Hingezogensein zum Tod. Manchmal sagen wir nicht die Wahrheit, um Geld, Freunde oder Ansehen nicht zu verlieren. Manchmal stehlen wir, weil wir Angst haben, sonst zu kurz zu kommen. Manchmal verletzen wir jemanden durch Worte oder gar durch Schläge, weil wir anderes nicht weiter wissen –

Paulus sagt: Wer ehrlich zurückschaut in sein Leben, der wird feststellen: vieles war da, was wir gar nicht gewollt haben, manches tut uns sogar leid. Wir schämen uns und verheimlichen, was unserem Ansehen schaden könnte. Sünde ist für Paulus nicht ein hin und wieder auftretender Fehler, den wir begehen; Sünde, das ist eine Macht, der wir unterlegen sind.

Im Tiefsten die Wirklichkeit des Todes, gegen den wir uns mit allen Mitteln zu wehren versuchen und die doch stärker ist. Sünde und Tod – sie hängen unlösbar miteinander zusammen.

Geht es überhaupt anders? Erwartet uns nicht alle der Tod? Ja und doch lauter: nein!

Bei jeder Beerdigung rufe ich über dem offenen Grab den Satz Jesu aus:

„Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt. Und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nicht mehr sterben.“

Wie Jesus redet Paulus über den Tod als Trennung von Gott. Dieser Tod ist es, den Christen hinter sich lassen, wenn sie mit Jesus verbunden sind. Denn Er hat den Tod überwunden.

In der Taufe, so führt Paulus am Beginn dieses Kapitels aus, wird ein Mensch verbunden mit dem Sterben Jesu. Im Wasser untergetaucht, das heißt: ertränkt, hingerichtet durch ertränken. Und zugleich: herausgehoben aus der Todesmacht des Wassers – neu beschenkt mit einem Leben, dem der Tod nun nichts mehr anhaben kann. Wer glaubt und getauft ist, der ist ebenso unlösbar verbunden mit der Auferweckung des Herrn.

Das verändert alles! Wenn der Tod uns nicht mehr bevorsteht, dann brauchen wir auch nicht mehr so zu leben, als wenn das so wäre!

Dann sind wir nicht mehr unterworfen der Macht der Sünde. Wir brauchen nicht mehr aus Angst oder Sorge um unser Leben Dinge zu tun, die uns von Gott trennen.

In der Sprache der Soldaten: Wir haben den Sold, den die Sünde zahlt, bereits bekommen. Wir unterstehen nicht mehr diesem Befehlshaber. Ein Christ ist frei und entlassen.

Was dann kommt, nennt die Bibel Heiligung.

Nun aber, da ihr von der Sünde frei und Gottes Knechte geworden seid, habt ihr darin eure Frucht, dass ihr heilig werdet; das Ende aber ist das ewige Leben. schreibt Paulus.

Heiligung, das ist nun die positive Gestaltung unseres Lebens in Freiheit.

Eine erste Spur legt Paulus, wenn er von Hingabe spricht: Wer frei geworden ist, lebt mit Hingabe.

Er stellt das einfach fest – ich meine, wir heute tun vieles im Glauben viel zu lustlos – und dann eben oft gar nicht mehr. Wer hat ein brennendes Herz dafür, dass Menschen neu zum Glauben kommen? Einige mühen sich redlich und verbindlich, ihre Aufgaben zu tun, aber was tun wir von Herzen? Gerne, ohne auf die Uhr oder auf den Kontostand zu schauen?

Lasst uns beten, dass der Geist Gottes in uns neu Hingabe weckt.

Wir können das ebenso wenig selber tun wie wir auch nicht selber glauben können.

Möge Gott in uns Hingabe wecken!

Die zweite Spur bei Paulus heißt Gerechtigkeit.

Es geht hier nicht um Meinungen, sondern darum, was Gott klar für richtig erklärt hat.

Lasst uns so in der Bibel forschen wie es die ersten Christen taten: sie suchten Jesus in allen Schriften und sie suchten nach Maßstäben für ihr Leben.

Gottes Wort ist nicht eine Meinung, über die wir diskutieren oder nachdenken können.

Gottes Wort ist die Wahrheit. Und in den Dienst der Gerechtigkeit treten, das heißt:

Nach den Maßstäben der Bibel zu leben. Dazu müssen wir sie kennen.

Dritte Spur: die Berufung jedes Christen ist: heilig zu sein. Das ist nicht ein Sonderstatus für Glaubenshelden. Es beschreibt nicht zuerst unser Tun, sondern unseren Standort.

Heilig ist, wer in der Nähe Gottes lebt. Wer betet, wer Gott lobt oder in seinem Namen etwas tut.

Auch wenn Paulus das alte und das neue Leben direkt nebeneinander stellt. Er macht einen feinen, aber wichtigen Unterschied: Unter der Macht der Sünde erwartet den Menschen der Tod. Das ist sein Sold, die verdiente Bezahlung.

Im Machtbereich Gottes gibt es keinen Sold – nicht etwas, was wir verdienen würden. Das ewige Leben ist nicht Lohn, es bleibt Geschenk. Gabe Gottes. Bei aller Heiligung, verdienen tun wir uns damit vor Gott nichts. Ob wir wohl weiter kommen als der schwäbische Bruder Johannes? Weiter als dahin, uns zu schämen vor Gott?

Amen!

Björn Heymer