Hier kommen Sie zurück zur Startseite
Termine und Veranstaltungen in der Gemeinde + Linkliste
Gemeindeprofil, Bildergalerie, Artikel, Predigten
Gruppen in unserer Gemeinde (Kigo,Förderverein,Frauenhilfe,Hauskreise)
Adressen, Telefonnummern, Lageplan, Umfrage, Gästebuch
Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an. (1. Samuel 16, 7) Ev. Philippusgemeinde Köln Raderthal Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an. (1. Samuel 16, 7)
Predigt über 2. Kor 5, 17-20 im Jubiläumsgottesdienst der Han-Bit-Gemeinde
in Köln (2.6.2002)
--
Drucken

Liebe Geschwister in Christus, Gnade sei mit Euch und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt!

Alle Welt verfolgt mit Spannung die Fußballweltmeisterschaft, die in diesen Tagen in Korea und Japan ausgetragen wird. Der Internationale Fußballbund mag damit die Hoffnung verbinden, dass dieser sportliche Wettkampf zur Versöhnung der beiden Nationen beitragen wird. Ob diese Hoffnung sich bewahrheitet?
Es gibt noch so tiefe Wunden in der Beziehung Ihres Volks zum japanischen Volk, so viel unausgesprochenes Leid, so viel Zorn über Ausbeutung und Demütigung, so viel Schuld, die im Raum steht und trennt!
Das sind die großen Ereignisse und Probleme auf der Weltbühne. Und zur gleichen Zeit bin ich nun mit Ihrer Gemeinde vor Gott versammelt, eine kleine Schar, die sich erinnert an die Fürsorge ihres Gottes und nach ihrer Berufung fragt. Wo stehen wir inmitten der großen Weltereignisse? Was ist unser Auftrag? Welchen Beitrag können wir leisten zur Versöhnung?
Der Apostel Paulus kann uns helfen, eine Antwort auf diese Fragen zu finden. Er schreibt an die Gemeinde von Korinth (folgt: Lesung des Texts 2. Kor 5, 17-20)
Dieser Paulus, ein fleißiger, gebildeter und frommer Jude, ist mit einer Botschaft unterwegs in Europa, auf ihm unbekannten Wegen und ohne jede weltliche Macht. Er verdient sich seinen Unterhalt mit dem Zeltmacherhandwerk und redet von einem, der durch die römische Gerichtsbarkeit zum Tod verurteilt und wie ein Verbrecher hingerichtet worden ist. In der aufstrebenden Stadt Korinth, wo der Sport groß geschrieben wird und Handel und Banken blühen, sorgt er sich um Menschen, die überwiegend zu den kleinen Leuten gehören und in der Weltpolitik nicht zählen.
Aber wie es so geht im Leben: diese kleinen Leute möchten ganz groß heraus kommen. Deshalb lassen sie sich beeindrucken von "Superaposteln", wie Paulus sie spöttisch nennt. Die haben sich in der Gemeinde von Korinth breit gemacht, leben auf Kosten der Gemeindeglieder und erzählen von einem Christus, der die Korinther überheblich, herrschsüchtig und großspurig macht. Als wären sie schon im Himmel!
Viele Gemeindeglieder zweifeln offensichtlich an der Autorität des Paulus, weil er, der Botschafter des gekreuzigten Mannes aus Nazareth, sich so bescheiden gibt und im Gegensatz zu den "Superaposteln" keinen Unterhalt von der Gemeinde erwartet. Was hat dieser Mann zu sagen, wenn er so unscheinbar auftritt? Wie paßt seine Zurückhaltung mit der Predigt von der neuen Schöpfung zusammen?
Liebe Geschwister, das sind unsere menschlichen Maßstäbe: Wer was zu sagen hat, tritt auch entsprechend in der Öffentlichkeit auf. Wer gehört werden will, nutzt die Medienwelt und spielt mit der Macht. Wer von ganz Wichtigem zu berichten weiß, der lässt sich sponsorn.
Da stimmt also etwas nicht mit diesem Botschafter Paulus. Wer von der neuen Schöpfung in Christus redet und gleichzeitig von Verachtung, Not und Verfolgung, der kann nicht ganz echt sein.
So ist das mit unseren Maßstäben. Ja, liebe Gemeinde, aus diesem Grund führt auchder Bundeskanzler Gerhard Schröder einen Prozeß über die Frage, ob seine Haare nun gefärbt sind oder nicht. Man läßt nichts auf sich kommen!
Paulus nimmt solche Stimmungen in der von ihm geliebten Gemeinde von Korinth wahr und hat Angst, dass diese Gemeinde die Gnade Gottes vergeblich empfangen hat (2. Kor 6,1). Er fürchtet, dass sie vom Vater Jesu Christi, von seinem Werk, noch nichts verstanden hat.
-2-

Darum sein Plädoyer, dass wir von nun an niemand mehr nach dem Fleisch kennen, d.h., nach menschlichen Maßstäben (2. Kor 5,16). Person und Werk Jesu Christi müssen nach neuen Maßstäben beurteilt werden.
Wer sich zu diesem Sohn Gottes bekennt, ist noch nicht im Himmel, ist noch nicht im Reigen seliger Geister. Im Gegenteil, wer an Jesus Christus glaubt, gerät mitten hinein in den Kampf unserer Welt, weil wir im Glauben den Weg der Niedrigkeit Christi teilen.
Wenn Paulus vom Neuen redet, d.h. von der Versöhnung, dann meint er nicht einen Vorgang aus dem religiösen Kult, sondern einen ganz realen Prozeß, wie wir ihn aus dem politischen Leben kennen oder aus unserem Familienleben. Da geht es um verfeindete Parteien, die wieder zueinander finden sollen. Da geht es um Menschen, die Gott fremd geworden sind und ihre eigenen Wege gehen, und um diesen wunderbaren Gott, der trotz aller Schuld und Dummheit seiner Geschöpfe nicht von ihnen läßt. Er will mit ihnen zusammen leben. Schrecklich leidet Gott an seinen geliebten Kindern! Davon erzählen uns die Propheten, davon zeugt die Geschichte Jesu Christi. Grausam oder feige, ängstlich oder überheblich, träge oder trotzig, so begegnen wir der Quelle des Lebens.
Darum schaffen wir uns Kulturen, Weltanschauungen und Religionen, die unseren Egoismus, unseren Lebenshunger rechtfertigen und absichern. Nationen führen unfassbar brutale Kriege um Prestige und Einfluss auf die Güter der Welt. Familien zerstreiten sich über Generationen hin, weil sie von Ehrgeiz und Eifersucht zerfressen sind.
Nicht immer ist der Schaden offen am Tage. Vieles tun wir Menschen vermeintlich in bester Absicht. Wir bauen große Zivilisationen, arbeiten bis zum Umfallen, setzen alle Intelligenz ein. Einige wollen sogar aus den Bausteinen des Lebens ganz neue Menschen züchten.
Paulus antwortet darauf mit der Botschaft vom Kreuz. Das ist die Geschichte von der Macht der Gewaltlosigkeit, von der Macht der Liebe. Nicht die Menge der himmlischen Heerscharen löst den Konflikt, nicht das Schwert des Jüngers Jesu. Gott läßt für seine Ziele niemanden über die Klinge springen. Er macht sich zum Gespött der Frommen, nimmt die Schläge der Folterknechte hin. So ist Gott, so lebt er, so arbeitet er an uns, so gibt er sich uns hin.
Paulus erzählt von dieser Kraft Gottes, die in den Schwachen mächtig ist. Und so lebt Paulus auch, nimmt Verachtung, Schläge und Gefängnis hin, um von der Macht der Liebe zu zeugen, die versöhnt und alles neu werden läßt.
Die Sorge des Paulus ist, dass die Korinther seine Bescheidenheit falsch verstehen.
Und wenn er, der Bote der Versöhnung, so missverstanden wird, wie sollen die Gemeindeglieder die Botschaft recht verstehen? Durch Paulus, den Apostel an Christi statt, ermahnt Gott: Lasst euch versöhnen mit Gott. Durch ihn kommt das Wort der Versöhnung zu uns. Durch ihn vernehmen wir, dass unsere Schuld vergeben und eine neue Welt geboren ist. Wer denkt, dass Paulus ein Schwächling ist, hat Gott noch nicht richtig kennen gelernt.
Ich denke, liebe Gemeinde, dass wir oft mit dem Kopf auf der Seite des Paulus sind, aber mit unserem Herz eher auf der Seite der Korinther. Wir können es schwer ertragen, dass die Versöhnung der Welt so leise und unscheinbar geschieht. Gottes Sprache des gewaltlosen Widerstands scheint uns so erfolglos.
Aber, liebe Geschwister, Versöhnung kann niemand erzwingen, auch Gott nicht. Unsere Hoheit und unser Elend ist, dass Gott uns als freie Menschen geschaffen hat. Auch der Missbrauch dieser Freiheit kann nicht durch Gewalt korrigiert werden.
-3-

Versöhnung ist ja viel mehr als eine äußerliche Korrektur unseres Lebens. Es geht Gott um viel mehr als bürgerliche Anständigkeit und Gesetzestreue. Die Botschaft von der Versöhnung der Welt in Christus ist eine göttliche Liebesgeschichte. Gott wirbt durch Paulus um unsere dankbare Antwort: dass wir Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, mit all unseren Gedanken und unserer ganzen Kraft.
Das kann niemand erzwingen, auch Gott nicht. Er wollte und will es auch nicht. Darum ist sein Weg zu uns so leidvoll und mühsam, darum wird sein Botschafter Paulus verlacht und angefeindet, selbst von denen, die durch ihn das befreiende Wort vom Kreuz vernommen haben.
Aber dieser schmerzhafte Prozess ist nicht erfolglos. Er hat Folgen, nur andere als wir gewohnt sind. Ein Beispiel: Kichie Minami, Pfarrer der Kyodan-Kirche in Japan - einige von Ihnen kennen ihn vielleicht noch als Seelsorger der japanischen Gemeinde in Köln - Kichie Minami erzählt mir in einem Brief von einer kleinen Gemeinde seiner Kirche im Norden Japans, die sich um koreanische Arbeiterinnen und Arbeiter kümmert. Nicht von oben herab, sondern in sanftmütiger Liebe und im Bewusstsein der historischen Schuld Japans. Nach den Maßstäben dieser Welt keine spektakuläre Geschichte, aber eine, die wirklich Neues zum Vorschein bringt. Und es gibt viele solcher Geschichten, die wir kaum bemerken, aber höchst wirksam sind.
Ich glaube nicht,dass die Fußballweltmeisterschaft Menschen und Völker verwandelt.
Es geht um viel Geld, um viel Ehre und Ansehen, aber nicht um die neue Schöpfung.
Das Großartige beeindruckt, aber verändert nicht.
Ich bin dankbar, dass unser Herr und Meister Jesus Christus uns durch Paulus den Weg gezeigt hat, diesen schmalen Pfad der Ökumene, der die ganze Welt umspannt und Sie, liebe Geschwister, hier nach Köln gebracht hat. Durch Höhen und Tiefen hindurch hat die Liebesgeschichte Gottes Sie begleitet und geleitet, Ihnen Kraft gegeben und Ihr Leben erneuert. Und unserer Kirche ist es geschenkt, mit Ihnen die Kraft der Versöhnung zu preisen, Gemeinschaft zu pflegen über kulturelle und politische Grenzen hinweg. Da zählt nicht die wirtschaftliche Kraft unserer Nationen, nicht unser sozialer Status. Wir finden zueinander und gemeinsam zu Gott durch die sanfte Macht der Versöhnung.
Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. Menschen, die von ihrer Herkunft eigentlich nichts miteinander zu tun haben, werden durch das Wort von der Versöhnung eine Familie in Christus. Wir lernen gemeinsam die Sprache der Liebe, die Sprache des gewaltlosen Widerstands gegen das, was Menschen verkrüppelt und verletzt. Wir lernen gemeinsam, zu unserer Schuld zu stehen, weil wir glauben, dass Gott sie uns nicht mehr anrechnet. Wir lernen, mit unseren Unversöhnlichkeiten konstruktiv umzugehen, weil wir von der Versöhnung in Christus leben.
Manchmal ist unsere Freude darüber verhalten. Die Maßstäbe dieser Welt beeindrucken uns noch. Wir hätten gern eine stabilere und einflussreichere Kirche, weniger zerspalten und zwiespältig. Aber wir werden durch das Wort des Botschafters Paulus auf unserem schmalen Weg gehalten und voran gebracht, werden frei von Gruppenzwängen, von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.
Durch das Wort von der Versöhnung entdecken wir uns als geliebte Kinder Gottes, als wunderbare Wesen, die nicht mehr an ihre Vergangenheit gekettet sind. Und wir haben einen großen Auftrag: Botschafterinnen und Botschafter an Christi statt zu sein. Keine prächtigen Gebäude sind nötig, keine Nobelautos, keine staatliche Anerkennung. Nur die Treue zum Wort der Versöhnung, zur Macht der Liebe.
Der Friede Gottes, der weiter reicht als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

OKR Wilfried Neusel