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Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an. (1. Samuel 16, 7) Ev. Philippusgemeinde Köln Raderthal Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an. (1. Samuel 16, 7)

Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres - 11. November 2001 - Predigt zu: Lukas 18,1-8

Liebe Gemeinde !

Ich habe die Geschichte von der bittenden Witwe am Dienstag mit den Katechumenen gelesen. Dann haben zwei von ihnen diese kleine Szene einmal gespielt. Da ging es hoch her! Vor allem die Witwe ist mit ganzer Energie auf den Richter losgegangen. Sie ließ nicht locker, bis, ja bis sie einen Termin für ihre Verhandlung hatte. Schade - sie kann heute morgen leider nicht hier sein, sonst hätten die beiden das gerne hier einmal vorgespielt. Es gibt nur wenige Erzählungen von Jesus, die so voller Emotion stecken wie diese Geschichte von der Witwe, die ihr Recht einfordert. Ich lese noch einmal aus Lukas 18: Er sagte ihnen aber ein Gleichnis darüber, dass sie allezeit beten und nicht nachlassen sollten, und sprach: "Es war ein Richter in einer Stadt, der fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen. Es war aber eine Witwe in derselben Stadt, die kam zu ihm und sprach: "Schaffe mir Recht gegen meinen Widersacher!" Und er wollte lange nicht. Danach aber dachte er bei sich selbst: "Wenn ich mich schon vor Gott nicht fürchte noch vor keinem Menschen scheue, will ich doch dieser Witwe, weil sie mir soviel Mühe macht, Recht schaffen, damit sie nicht zuletzt komme und mir ins Gesicht schlage." Da sprach der Herr: "Hört, was der ungerechte Richter sagt! Sollte Gott nicht auch Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte er's bei ihnen lange hinziehen? Ich sage euch: Er wird ihnen Recht schaffen in Kürze. Doch wenn der Menschensohn kommen wird, meinst du, er werde Glauben finden auf Erden?" Worum geht es heute morgen? Lukas führt diese Begebenheit ein mit dem Hinweis: "Er sagte ihnen aber ein Gleichnis darüber, dass sie allezeit beten und nicht nachlassen sollten..." und fährt dann fort: "Sollte Gott nicht auch Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte er's bei ihnen lange hinziehen? Ich sage euch: Er wird ihnen Recht schaffen in Kürze?" Es geht um unseren Umgang mit dem Gebet. Jesus hat offenbar den Eindruck, dass die Gebetspraxis seiner Leute viel zu nachlässig, viel zu selten und viel zu wenig von Zuversicht oder auch nur innerer Beteiligung erfüllt ist. "Stellt Euch doch mal zum Beispiel eine Witwe vor, die um ihr Recht kämpft. Wenn Ihr so beten würdet, dann würde Gott Euch noch viel schneller erhören als jeder menschliche Richter." Wir beten zu wenig. Und wenn, dann glauben wir selbst nicht daran, dass Gott uns erhört. Kann das Verhalten dieser Witwe, die so peinlich aufdringlich ist, dass der Richter sogar fürchtet, sie würde handgreiflich, wenn er ihr nicht Recht schafft, kann das irgendwie ein Vorbild für uns sein? Sollen wir etwa so beten? Was ist daran gut? Warum beten wir nicht so? Nicht so hartnäckig? Nicht so beharrlich und nicht so mit aller Energie? Es geht hier nicht um das Gebet im stillen Kämmerlein. Die Witwe nahm keine Rücksicht auf ihren Ruf, als sie dem Richter penetrant auf die Nerven ging. Sie tat das öffentlich. Wo beten schon mal Menschen in Anwesenheit Anderer? Und zwar echt? Ungeschützt? So, wie es uns wirklich ums Herz ist? Das tun wir nicht. Warum? Was die Geschichte nicht bietet: eine Anleitung. Die Witwe tut nicht in kühler Überlegung planvoll das Richtige. Ebenso wenig kann ich jetzt eine Besinnung über eine Technik wirksameren Gebets vorstellen. Jede Form des Betens ist Ausdruck eines anderen, tieferen Themas. Vor der Antwort auf das Wie des Betens geht es um die Frage nach dem Glauben. "..wenn der Menschensohn kommen wird, meinst du, er werde Glauben finden auf Erden? So fragt Jesus am Ende. Wenn sich an unserem Gebet etwas verändern soll, dann geht das nicht über ein paar technische Hinweise oder Tricks. Gebetsmüdigkeit ist ein Symptom, nicht die Ursache dafür, dass wir so selten die Erfahrung machen, dass unsere Gebet etwas bewirkt. Die Ursache liegt tiefer: Sie liegt darin, dass unser Glaube gebremst ist. Nur wenn sich unser Glaube verändert, verändert sich auch unser Beten. Jesus erzählt die Geschichte nun nicht, um uns Druck zu machen. Wir sollen vielmehr ermutigt werden - am Vorbild dieser Witwe. Denn diese Frau hat etwas, was uns fehlt Sie hat den Mut, aus ihrem Gefühl heraus zu handeln. Krankt unser Glaube daran, dass er zu wenig Berührung hat mit unseren Gefühlen? Dass wir ihn vor allem als eine Kopfangelegenheit leben? Ist also dieser Vulkanausbruch der Gefühle bei der Witwe das Vorbild für den Glauben? Viele Probleme mit dem Glauben sind nicht Kopfprobleme, also auf der Ebene der Argumente und des Verstandes. Viele Glaubensprobleme sind eher Herzprobleme. Tiefe Verletzungen auf der Gefühlsebene hindern uns daran, uns ganz Gott anzuvertrauen. Verletzende Erfahrungen in unserer Vergangenheit sind dann Hindernisse, die dafür sorgen, dass die meisten unserer Gebete so kraftlos und glaubensleer wirken. Und die dafür sorgen, dass wir so selten die Entdeckung machen: Gott hat mein Gebet wirklich erhört! Er hat eingegriffen und zurecht gerückt, was mich bedrückt hat! Was für Hindernisse können das sein? Warum sind wir so kühl, so emotionslos, wenn wir beten? Weil wir uns schützen. Das ist es wohl. Wir schützen uns vor der Enttäuschung, die ein konkretes und dringendes Gebet ja riskiert. Was können das für Verletzungen sein? Wer als Kind immer um Anerkennung, um Lob oder auch nur um Aufmerksamkeit kämpfen musste, der hat oft unbewusst ein Selbstbild, das sich in dem Satz äußert: "Eigentlich bin ich es nicht wert. Wenn ich geliebt werden will, dann muss ich dafür etwas leisten!" Das kann ein ungewolltes Kind ebenso sein wie eines in einer Geschwisterreihe, in der die guten Plätze schon besetzt waren. Wer so über sich denkt, wird nicht den Mut finden, voll Zuversicht zu beten. Oder wer in einer Partnerschaft lebt, in der er sich auf eine Rolle festgelegt erlebt, der überträgt diese Erfahrung auch auf den Glauben: Manche Menschen erleben es immer so: "Nur wenn ich meine Bedürfnisse hinten an stelle, vielleicht gar nicht sage, bin ich o.k. Sobald ich mal etwas will, gibt´s Ärger. Ich bin nicht wichtig. Für mich interessiert sich keiner." Entsprechend beten wir - oder lassen es eben. Viele Menschen in Ostdeutschland haben in den Jahren nach der Maueröffnung erlebt, wie sie von irgend einem Wessi über den Tisch gezogen worden ist - sei es beim Autokauf, durch Taschenspielertricks oder beim Abschluss irgendwelcher Versicherungen oder Ratenkäufe. Das gab´s auch in Sachen Religion. Alle möglichen und unmöglichen Gruppen und Sekten gingen auf Menschenfang. Heute ist ein tiefes Misstrauen weit verbreitet. Wer könnte es nicht verstehen, wenn er die Hintergründe kennt. Dann sind Menschen eben verschlossen. Und wenn wir dann kommen und wollen sie einladen, mal in die Gemeinde mitzugehen - dann geht die Tür ganz schnell zu. Die Liste ließ sich fortsetzen. Innere Verletzungen unserer Gefühle nehmen den Glauben in die Zange! Die Witwe war auch verletzt. Sie war allein zurück geblieben, als ihr Mann starb. Allein das ist ein gewaltiger Einschnitt. Und dann geschieht ihr Unrecht. Wir wissen nicht, was es war, aber das ist deutlich: die damalige Männergesellschaft nahm keine Rücksicht auf eine schutzlose alleinstehende Frau. Und diese tief verletzte Frau stellt Jesus als Vorbild dar. Was war anders bei ihr? Sie hat nicht aufgegeben! Sie ging den Grund ihrer Verletzung direkt an. Sie forderte ihr Recht. Und sie hat sich an den einzigen gewandt, der ihr helfen konnte. Konsequent und beharrlich. Jesus will, dass wir befreit und unbelastet glauben können. Deshalb sollen wir unsere tiefen Gefühle ernst nehmen, wenn es um den Glauben geht. Die Verletzungen in uns sind kein unabänderliches Schicksal. Was immer uns hindert, uns voll auf Gott einzulassen, Jesus will es wegräumen. Und wenn das wahr ist, dass es hier vor allem um Herzprobleme geht, also um unsere Gefühlswelt, dann kann auch nur da die Heilung ansetzen. Hier wird es ganz persönlich und hier greifen sicher alle allgemeinen Aussagen zu kurz. Ein persönliches Gespräch mit jemandem, der weiterhelfen kann, könnte ein Weg sein. Vor sich selber ehrlich zu werden und die Vergangenheit so anzuschauen, wie sie ist, das wäre ein weiterer nötiger Schritt. Vielleicht müssen wir jemandem konkret eine Schuld vergeben. Oder uns selber. Viele sind mit der eigenen Vergangenheit nicht versöhnt, sondern klagen sich selber unentwegt an und machen sich schlecht. Wer sich noch nicht so angenommen hat, wie er ist, wird nicht glauben können, dass Gott ihn wirklich liebt. Wenn in uns eine Sehnsucht danach lebt, dass unsere Gebete kraftvoller werden - und dass wir es auch erleben, dass sich etwas tut - dass Gott wirklich etwas tut, dann brauchen wir Heilung. Dann brauchen wir eine Vertiefung des Glaubens. Darum fragt Jesus: "Wenn der Menschensohn kommen wird, meinst du, er werde Glauben finden auf Erden?"

Amen!

Björn Heymer