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Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an. (1. Samuel 16, 7) Ev. Philippusgemeinde Köln Raderthal Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an. (1. Samuel 16, 7)

20. Sonntag nach Trinitatis - 28. Oktober 2001 - Predigt zu: Markus 2, 23-28

Liebe Gemeinde !

Stellen Sie sich vor, wir würden in der Gemeinde ein Gremium zusammenstellen aus Männern und Frauen, die Sie und andere zu Hause besuchen würden. Diese Frauen und Männer würden kommen, um nachzuschauen, ob Sie Ihr Leben auch wirklich nach Gottes Geboten gestalten. Stellen Sie sich das mal vor. Sie würden sich Ihren Bücherschrank anschauen und sie nach dem befragen, was Sie im Fernsehen sehen. Sie würden auch fragen, was Sie mit Ihrem Geld tun und sie würden beobachten, wie Sie miteinander und mit anderen umgehen: wie Sie als Eheleute oder als Familie einander behandeln, ob Sie einem Armen, der bei Ihnen anfragt, wirklich immer helfen, ob Sie genug beten, ob Sie in der Bibel lesen und Ihre Arbeit gewissenhaft ausführten. Stellen Sie sich das mal vor! Spüren Sie Ihren Widerstand dagegen? Wäre das nicht empörend? Sehen Sie. Und dann würden die Leute des Gremiums sagen: „Vorsicht! Wehren Sie sich nicht! Denn wenn Sie sich das nicht gefallen lassen, dann werden wir Sie aus der Gemeinde ausschließen. Wir haben erkannt, was richtig ist, und wir werden jetzt dafür sorgen, dass Sie auch so leben.“ „Also, so geht´s nicht!“ werden Sie sagen. „Jedenfalls nicht mit mir!“ Oder? Oder haben Sie gerade gedacht: „Oh ja, in so einer Kommission wäre ich auch gern mal. Ich ärgere mich schon lange über den oder die. Das wäre meine Chance!“ Denn – wer in dem Gremium ist, der ist ja unantastbar. Der bestimmt, was anständig ist – richtig und gut. Und was sich nicht gehört. Das Evangelium deckt unsere tiefen Ängste ebenso auf wie unsere Sehnsüchte. Ich lese noch einmal aus Markus 2, 22-28: Und es begab sich, dass Jesus am Sabbat durch ein Kornfeld ging, und seine Jünger fingen an, während sie gingen, Ähren auszuraufen. Und die Pharisäer sprachen zu ihm: Sieh doch! Warum tun deine Jünger am Sabbat, was nicht erlaubt ist? Und er sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen, was David tat, als er in Not war und ihn hungerte, ihn und die bei ihm waren: wie er ging in das Haus Gottes zur Zeit Abjatars, des Hohenpriesters, und aß die Schaubrote, die niemand essen darf als die Priester, und gab sie auch denen, die bei ihm waren? Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen. So ist der Menschensohn ein Herr auch über den Sabbat. Um drei Dinge soll es heute morgen gehen: Um unseren Umgang mit der Bibel Um unsren Umgang mit dem dritten Gebot und Um das Verurteilen Das Abpflücken von Getreideähren, um den eigenen Hunger zu stillen – das ist laut Bibel erlaubt. Worüber die Pharisäer sich aufregten, das war die Tatsache, dass die Jünger Jesu das am Sabbat taten. Das war der Skandal. Auf den Bruch der Sabbatruhe stand die Todesstrafe! –Die Pharisäer in dieser Geschichte sprachen eine Verwarnung aus. Der Fall war für sie klar: Offenbar hatten diese ungebildeten Jünger nicht gewusst, dass das Ähren sammeln die Sabbatruhe bricht. „Meister, belehre Deine Schüler!“ Das wollten sie erreichen mit ihrer Frage. Aber Jesus hat offenbar seine Jünger gerade dazu ermutigt, trotz Sabbat Ähren zu pflücken. Auch mit einer biblischen Begründung. Wie gehen wir mit der Bibel als Wort Gottes um? Das ist die erste Frage für uns heute. Manchmal begegnen mir Menschen, die benutzen Bibelsprüchen als Bügelsprüche. Die haben auf jede Lebensfrage scheinbar einen Bibelspruch, der die klare Anweisung enthält. Und damit werden dann die Leute abgebügelt – so wie die Pharisäer damals die Jünger abgebügelt haben. Da wird die Bibel ständig dazu missbraucht, die eigene sehr beschränkte und vielleicht sogar eigennützige Sicht der Dinge zu untermauern. Man bleibt an der Oberfläche und entscheidet, ohne auf den Menschen zu sehen. Jesus kennt und achtet die Bibel als Gottes Gebot auch. Ja, von ihm stammt der Satz: „Kein Jota, keinen noch so kleinen Buchstaben des Gesetzes werde ich auflösen, für ungültig erklären.“ Und trotzdem konnte er auch so reden wie hier. Eben weil die Bibel viel mehr ist als eine Sammlung von Vorschriften. Lebensgeschichten erzählt sie - wie die Geschichte von David und seinen Leuten auf der Flucht. Die hat mit dem Sabbat erst mal gar nichts zu tun. Aber sie zeigt etwas Grundsätzliches über den Umgang mit Geboten: Not steht über dem Gebot! // Es darf nie so sein, dass die Einhaltung des guten Gebotes Gottes – das doch dem Menschen zum Leben und zur Freiheit verhelfen soll, dass genau diese Einhaltung den Mensch unfrei macht. Oder gar dass Gebote als Instrument missbraucht werden, mit dem die einen die Freiheit der Anderen rauben. Eben deshalb wird es ein solches Gremium wie gerade eben vorgeschlagen nicht geben. Wir werden es aushalten müssen, dass es immer Menschen gibt, die das Gebot anders auslegen und anders ausleben als wir. Jesus hat das auch getan. Einander fragen, wie er oder sie etwas versteht oder begründet, das wird immer erlaubt sein. Gott hat uns in eine Gemeinschaft gestellt, die uns auf dem Weg der Nachfolge hilft. Aber eben hilft, nicht verurteilt! Die zweite Frage heute morgen: Wie gehen wir mit dem dritten Gebot um? Mit dem Gebot, den Feiertag zu heiligen. Jesus hat die Gebote als hilfreiche Wegweisung für den Menschen verstanden. Was heißt das für den Umgang mit dem Feiertag? Wie gut, dass es das Feiertagsgebot gibt! Wenn wir das doch nur neu entdecken würden! Der Feiertag befreit uns vom Diktat des Nützlichkeit allen Tuns. Ohne Sonntag gibt es nur noch Werktage! Der Feiertag zeigt uns, dass das Leben seinen Wert, seine Berechtigung nicht durch Leistung bekommt. Und noch mehr: der Feiertag sagt etwas über Gott selber! Denn Gott selber ruhte am siebten Tag und vollendete so die Schöpfung. Er machte nicht einfach auch mal Pause – die Ruhe ist Teil des schöpferischen Handelns! Wer den Feiertag heilig hält, der wird so zum Teilhaber an der Weltschöpfung – ja, in der Auslegung des Sabbatgebotes ging man so weit, dass das Einhalten des Sabbats dazu beiträgt, die Welt der Erlösung näher zu bringen. Im Halten des Feiertags tragen wir das Weltgefüge mit! Was für ein Vorrecht! Das Gebot des Feiertags wurde in Israel zur Krönung aller Gebote. Wer einmal miterlebt hat, mit welcher Freude, ja mit Jubel der Sabbat bis heute in Israel begrüßt wird, der merkt, wie die Heiligung des Feiertages dem Leben Glanz geben kann. Mir scheint, wir haben das Feiern am Feiertag verlernt – vielleicht sogar haben wir das Feiern überhaupt verlernt. Es wird nicht mehr gesungen, es werden keine Geschichten mehr erzählt, es wird kaum noch die Festtafel geschmückt. Da gäbe es eine Menge zurück zu gewinnen und neu zu entdecken, wenn wir das Gebot des Feiertags wieder neu für uns entdecken und ernst nehmen würden! Nur – und das ist die andere Seite der Medaille: Kein noch so gutes Gebot dazu missbraucht werden, das Leben zu beschweren, zu begrenzen oder zu beschneiden. Denn: das Gebot ist für den Menschen da – nie umgekehrt! Damit komme ich zum dritten Thema heute morgen: Wenn wir doch damit aufhören könnten über andere zu urteilen – meist ja, sie zu verurteilen! Wie oft hab ich mich aufgeregt über einen Fisch-Aufkleber an einem dicken Mercedes! Was hab ich nicht schon alles gedacht über Andere, die anders leben als ich. Über Christen, die ihre Kinder anders erziehen oder ihre Zeit mit so ganz anderen Dingen füllen als ich es tun würde, wenn ich sie denn hätte. Und immer verraten meine Urteile ja vor allem etwas über mich selbst! Wo bin ich ganz tief in mir neidisch oder unzufrieden? Warum macht es mir eine solche Freude, einem anderen meine Macht zu demonstrieren oder meine Überlegenheit? Vielleicht weint ganz tief in mir drinnen ja ein kleines Kind, dass sich vor dem Allein-Sein fürchtet. Oder dass sich selber seine Schwächen nicht vergeben kann. Vielleicht bin ich überhaupt nicht versöhnt damit, dass mir Wünsche versagt blieben –und dann vermiese ich lieber allen anderen ihre Freude als dass ich am Ende zugeben müsste, dass ich das Defizit bei mir spüre. Wenn wir mit Gottes Gebot umgehen, dann deckt es unsere Schattenseiten auf – auch und vielleicht gerade, wo wir uns vehement für ihr Einhalten bei anderen einsetzen. „Ich bin der Herr über das Gebot, nicht ihr!“ sagt Jesus. Ihn bekennen und erwarten wir als Richter. Er wird zurecht rücken, was krumm ist in unserem Leben, wenn er kommt. Er richtet auch über das Leben und die Taten der Anderen. Überlassen wir das Richten ihm! Wenn wir was für andere tun wollen, dann helfen wir einander auf den Weg der Gerechtigkeit! Das, nicht mehr, ist uns aufgetragen.

Amen!

Björn Heymer