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Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an. (1. Samuel 16, 7) Ev. Philippusgemeinde Köln Raderthal Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an. (1. Samuel 16, 7)

17. Sonntag nach Trinitatis - 7. Oktober 2001 - Predigt zu: Johannes 9, 35-41

Liebe Gemeinde,

Liebe Gemeinde, Wir haben gerade in der Lesung des Evangeliums von frommen Leuten gehört, denen die Frage nach Gott sehr wichtig war. Sie sprachen sogar öffentlich darüber, aber zu einem waren sie nicht bereit: Sie waren nicht bereit, in Glaubensfragen einem zu vertrauen, der alles andere als vertrauenswürdig erschien: „Ein dummer Bettler, ungebildet und blind, der will uns hier was von Gott und Glauben erzählen? Nein, nein, nicht mit uns!“ „Und sie stießen ihn hinaus!“ So berichtet Johannes. Wunder, die man nicht selber erlebt hat, sind vielen Leuten höchst verdächtig. Und wenn dann noch der Zeuge ein dahergelaufener Bettler ist – nein! Obwohl er ja nicht nur redet, sondern das Wunder am eigenen Leib erfahren hat, sie bleiben skeptisch. Vielleicht eine Verwechslung. Oder ein Hokuspokus. Jedenfalls ein Ärgernis. Von so einem wollen die Frommen nichts hören. So einer ist nicht glaubwürdig – was immer er sagen will. Unser Bild von Gott berührt das jedenfalls nicht. So wie diesem Geheilten ging es in den ersten drei Jahrhunderten nach Jesus den Christen immer wieder. Sie hatten etwas zutiefst Heilsames erlebt in der Begegnung mit Jesus, sie erzählten davon und – wurden abgelehnt und ausgegrenzt. Es waren ja wohl zumeist ärmere Leute, ungebildet und von niederem Stand, viele gar Sklaven. Auf die hörte man nicht. Vor allem stießen die Christen bei denen auf Ablehnung, die doch eigentlich am ehesten Verständnis für sie hätten haben sollen: die Juden in den Synagogen, die doch in der gleichen Bibel lasen, die mit den selben Psalmen zu demselben Gott beteten. Was Johannes von einem erzählt, das hat sich hundertfach wiederholt seither. Und zwar beides: Begegnungen mit Jesus, die alles veränderten und die Ablehnung der frommen Durchblicker. Heute ist uns die Fortsetzung des Berichtes von dem Geheilten zum Hinhören und Nachdenken aufgegeben. Ich lese aus Johannes 9

35 Es kam vor Jesus, dass sie ihn ausgestoßen hatten. Und als er ihn fand, fragte er: Glaubst du an den Menschensohn? 36 Er antwortete und sprach: Herr, wer ist's? dass ich an ihn glaube. 37 Jesus sprach zu ihm: Du hast ihn gesehen, und der mit dir redet, der ist's. 38 Er aber sprach: Herr, ich glaube, und betete ihn an. 39 Und Jesus sprach: Ich bin zum Gericht in diese Welt gekommen, damit, die nicht sehen, sehend werden, und die sehen, blind werden. 40 Das hörten einige der Pharisäer, die bei ihm waren, und fragten ihn: Sind wir denn auch blind? Besser müsste man sagen: Hältst Du uns etwa für blind? 41 Jesus sprach zu ihnen: Wärt ihr blind, so hättet ihr keine Sünde; weil ihr aber sagt: Wir sind sehend, bleibt eure Sünde.

An Jesus scheiden sich die Geister – das war damals so, das ist heute nicht anders geworden. Der eine, der geheilte Bettler wird zum Bekenner und zum Beter. Die anderen, die kritischen Zuschauer, die viel zu wissen meinen und davon überzeugt sind, dass sie in Glaubensdingen den Durchblick haben, sie bleiben unter dem Gerichtswort Jesu. Von ihnen wird nicht gesagt, dass sie vom Diskutieren zum Bekennen und Beten gelangen. Ich stelle heute die Frage: Wem sind wir wohl näher? Dem Geheilten oder den Pharisäern? Ich beginne mit den Pharisäern. Schon bei der Bezeichnung denken viele an Heuchler, an unglaubwürdige fromme Schwätzer oder sonst was Schlimmes. So war es aber nicht! Den Pharisäern war es ernst mit dem Glauben! Die sah man regelmäßig im Gottesdienst, die opferten wirklich einen spürbaren Teil ihres Geldes für die Sache Gottes. Die lasen in der Bibel und fragten danach, was Gottes Gebot im Alltag bedeutet. Jesus hat sich gerade mit dem Pharisäern immer wieder auseinandergesetzt, weil sie ihm in vielen Dingen sehr nahe standen. Sie waren alles andere als gleichgültig. Engagierte Kritiker sind eben auch engagierte Leute! Wer um wichtige Fragen streitet, der hat immer auch viel Nähe, viel Gemeinsames. Sonst würde es nicht so heiß hergehen. Sonst wäre man einander gleichgültig und kalt. Es ist ein rätselhaftes Gerichtswort, das Jesus hier sagt: „Ich bin zum Gericht in diese Welt gekommen, damit, die nicht sehen, sehend werden, und die sehen, blind werden.“ Offenbar ist etwas anderes gemeint als das Augenlicht. Sehen ist hier gebraucht im Sinn von „Erkennen“. Und das ist was anderes als „Wissen“ oder „Verstehen“. Eher klingt das in unserem Wort „Anerkennen“ mit. Die Klugen dieser Welt wissen immer so viel – und sind oft weit weg von diesem Erkennen, vom Anerkennnen, wer Jesus ist. Wie oft sind uns nicht schon die Argumente ausgegangen, wenn es um die Wirklichkeit des Glaubens geht. Beweisen lässt sich der Glaube nicht – trotz aller klugen Versuche. Er ist eben nicht zwingend einleuchtend. Jesus weiß das. Und er vertraut darauf: Gerade wer im Glauben gescheitert ist, der wird am Ende erleuchtete Augen bekommen. Die Botschaft des Evangeliums ist und bleibt anstößig und immer wieder durch menschliche Klugheit hinterfragbar. Was ist dieser Anstoß? Ein Freund, Berufsschulpfarrer in Duisburg, hat mir vorgestern einen Brief geschrieben. Er erzählt darin, wie er bei allem gerade jetzt nötigem Dialog mit Moslems unweigerlich da sehr schnell an das Ende des Gesprächs kommt, wo es darum geht, ob der Mensch Jesus wirklich Gott selber ist. Da ist dann Schluss. Das gilt als Irrlehre. Ende! Wer ist der Menschensohn? Also: der von Gott gesandte Weltenrichter: Wenn die Antwort so lautet wie bei dem geheilten Bettler, dann ist das Gespräch beendet. „ Glaubst Du an den Menschensohn?“ Das heißt nichts anderes als: „Glaubst Du, dass Gott selber vor dir steht?“ „...und die, die sehen, die werden blind werden.“ Sagt Jesus ganz klar. Die Klugheit dieser Welt wird am Ende als großer Irrtum dastehen. Wer jetzt noch meint, den Durchblick zu haben, der wird am Ende nichts erkannt haben von dem, was Gott durch Jesus getan hat. Der wird dann nichts sehen, wenn die anderen „...Gott von Angesicht zu Angesicht schauen werden“, was zum Kernbestand christlicher Hoffnung gehört. Darauf kommt es an, wenn wir vor Gott stehen: ob wir Gott erkennen oder nicht. Und das entscheidet sich hier – in diesem Leben, an unserer Beziehung zu Jesus! Ich komme zu dem Geheilten. Er wird erst zum Glaubenden, nachdem er schon einen weiten Weg gegangen ist: Erst begegnete er dem Mensch Jesus, der ihn ansah – er selber war noch blind. Darauf folge seine Entscheidung, diesem Fremden zu vertrauen und zum Teich zu gehen. Und schließlich hatte er sogar schon Streit und Anfeindungen wegen Jesus. Er fand sich wieder als einer, der Jesus bezeugte und sogar verteidigte, ohne dass er selber schon zu einem Bekenntnis gefunden hätte. Das scheint mir heute gar nicht so selten zu sein. Wie viele leben mit in der Gemeinde, haben Anschluss gefunden, engagieren sich sogar und werden danach gefragt, warum sie das ausgerechnet bei Kirche tun. Aber die Frage: „Glaubst Du an den Menschensohn?“ die hat noch eine klare Antwort gefunden. Vielleicht, weil sie mit der anderen Frage herumgehen: „Herr, wer ist´s? Wer ist Jesus denn wirklich?“ Und darauf noch keine klare Antwort haben. Das ist o.k.! Das kennen schon die Menschen der Bibel! Aber die sind nicht dabei stehen geblieben. Der Geheilte hat nicht nur etwas besonderes erlebt, er hat sein Erleben gedeutet – nachgedacht, reflektiert und seinen Schluss gezogen: „Herr, ich glaube!“ Aus dem Erleben wurde eine Erfahrung! Erst eine Erfahrung, also ein gedeutetes Erlebnis hat die Macht, unser Leben zu verändern. Eine Erfahrung wird zur Grundlage für ein Bekenntnis. Die Väter der evangelischen Kirchen haben gesagt: Kirche ist gegründet auf zwei Säulen: Wort und Sakrament. Also auf ein Erleben und die entsprechende Deutung. Wir feiern gleich miteinander Abendmahl. Wir erleben dabei etwas: die Gastfreundschaft Gottes erleben wir. Das ist gut und wichtig für unseren Glauben. Es ist die eine Säule des Glaubens. Das Geheimnis, das Sakrament. Die andere Säule ist das Wort! Das Wort hilft, das Erlebnis der Gastfreundschaft zu deuten. So wird sie zu einer Erfahrung. So kann daraus ein echter Trost wachsen. So kann Glaube entstehen. Ich habe am Anfang die Frage gestellt: Wem sind wir wohl näher? Dem Geheilten oder den Pharisäern? Wer sich einladen lässt zum Mahl, der ist auf dem Weg der Heilung, der folgt dem Bettler nach, der vom Blinden zum Sehenden wurde. Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist. Möge Gott uns heute neu die Augen öffen!

Amen!

Björn Heymer