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In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis. (Kol. 2,3)

11. Sonntag nach Trinitatis - 26. August 2001 - Predigt zu: Matthäus 13, 47+48

Liebe Gemeinde, Als Jesus Christus öffentlich auftrat, hatte er eine zentrale Botschaft: "Das Himmelreich ist nahe herbei gekommen!" Das ist die Zusammenfassung seiner Reden, davon hat er in seinen Gleichnissen gesprochen. Und das und nichts anderes bedeutete es auch, wenn er Kranke heilte oder den Kontakt suchte zu denen, die nach allgemeinem Urteil gesellschaftlich unten durch waren. "Das Himmelreich ist nahe herbei gekommen!" - das hat zentral damit zu tun, dass nichts so bleiben muss, wie es immer war, ja, dass eine Wendezeit für die Welt bevorsteht. Mit zwei Gleichnisgeschichten über das Himmelreich haben wir uns an den vergangenen Sonntagen hier beschäftigt. Beide klangen ganz ähnlich und beleuchteten bei genauem Hinhören doch verschiedene Facetten: Zuerst dies: Das Himmelreich gleicht einem Schatz, den einer im Acker fand. Wer immer das Himmelreich entdeckt, der kann reich werden! Aber - das Finden allein ist nicht genug - im Gleichnis kratzt der Finder erst mal alles zusammen, was er hat, um diesen Schatz in seinen Besitz zu bringen. Das Heben und Aneignen fordert vollen Einsatz. Das andere Gleichnis war das vom Kaufmann - der findet eine kostbare Perle und investiert alles, um sie zu erwerben. Wir haben erkannt: nicht die Perle ist das Himmelreich, sondern der Kaufmann - nicht etwas statisches, Festes, sondern das Himmelreich ist auf der Suche. Gott ist in Jesus auf der Suche, um sein Reich zu füllen - mit Menschen wie uns! Wir sind in Gottes Augen die kostbare Perle! Und Jesus hat alles eingesetzt, damit wir hineinfinden ins Himmelreich. Wir alle sind Geliebte Gottes. "Ja, aber....?" mag jetzt manch einer einwenden. Gibt es denn keine Unterschiede? Ich kenn doch eine ganze Menge Leute, die nun wirklich nicht liebenswert sind; ja, die geradezu Ekel sind. Sieht Gott denn gar nicht auf das, was Menschen tun? Gleichnisse sind Vergleiche. Sie betonen immer ein oder zwei Einzelheiten - geben aber nicht Antwort auf alle Fragen. Wir hören deshalb heute noch einmal ein Himmelreich - Gleichnis. Ich lese die Verse 47+48. Wiederum gleicht das Himmelreich einem Netz, das ins Meer geworfen ist und Fische aller Art fängt. Wenn es aber voll ist, ziehen sie es heraus an das Ufer, setzen sich und lesen die guten in Gefäße zusammen, aber die schlechten werfen sie weg. Nun also ein Fischnetz. Jesus predigte am Ufer des Sees Genezareth. Er kannte sich besser aus als wir, was das Fischen mit Netzen angeht. Denn da gibt es ganz verschiedene Formen von Netzen und Methoden zum Fischen. Ich habe mich schlau gemacht bei Mendel Nun, einem Juden, der in den 30er und 40er Jahren noch selber als Fischer am See Genezareth gearbeitet hat - als junges Kibbuz-Mitglied im Kibbuz En Gev am Ostufer des Sees. Er hat ein Büchlein geschrieben mit dem Titel: "Der See Genezareth und seine Fischer im Neuen Testament" Eigenverlag Kibbuz En Gev, Israel In diesem Gleichnis geht es um ein Zugnetz. Das ist ein sehr großes Netz, für das man eine Mannschaft von acht bis zwölf Männern braucht. Dieses Netz wird von einem Boot aus parallel zum Ufer ins Wasser gebracht und steht - durch Gewichte und Schwimmer gehalten - wie eine Wand im Wasser. Sobald das Netz steht, beginnen die Fischer, es mit Hilfe von Zugseilen an beiden Enden an Land zu ziehen. Die untere Kante schleift über den Boden - so können die Fische, die bei Gefahr normalerweise versuchen, nach unten in tieferes Wasser zu fliehen, nicht weg. Nach und nach wird das Netz an Land gezogen. Ein guter Fang kann Hunderte von Kilo Fisch einbringen - und zwar alles, was da eben ins Netz geht. Es folgt dann die Arbeit des Sortierens: gute Fische ins Körbchen, schlechte Fische wieder ins Wasser. Schlechte Fische waren die Welse - nicht, weil die giftig gewesen wären. Sondern weil sie keine Schuppen haben. Und die sind in den Geboten für unrein erklärt. Sie wurden nicht gegessen. Das Gleichnis beschreibt diese Art des Fischen ziemlich gut. Eine kleine Ungenauigkeit merkt Mendel Nun aber an: Die Worte: "...als es voll war ..." erwecken die Vorstellung, dass es eine Wartezeit bei dieser Art der Netzfischerei gäbe. Das stimmt aber nicht. Anders als bei Reusen funktioniert das Zugnetz gerade nur, wenn man mit dem Einholen nicht zögert. Denn sonst würden die Fische nach rechts oder links entwischen können. Wir kommen darauf noch mal zurück. Was können wir von der Zugnetz-Fischerei über das Himmelreich lernen? Auch beim Himmelreich geht es um verschiedene Zeitphasen, die unterschiedliche Charakterzüge haben: Wer das Himmelreich verstehen will, der muss die Zeit beachten! Es gibt eine Zeit, in der keine Unterschiede gemacht werden. Da wird alles eingeholt, was da ist. Da ist sozusagen alles drin im Himmelreich. Und es gibt eine Zeit, in der sortiert wird, die von Gott für kultisch unrein Erklärten fliegen raus - übrig bleibt, was Gott für gut erklärt hat. Uns interessiert ja meistens dies zweite: wenn sortiert wird. Denn wir machen das schon jetzt ständig: Wir teilen die Menschen in Schubladen ein: sympathisch oder langweilig? Freund oder Feind? wichtig für meine Karriere oder störender Konkurrent? noch zu haben oder schon vergeben? schlauer als ich oder mir hoffnungslos unterlegen? Unzuverlässig oder hilfsbereit? Gut oder böse? Und wie die Etiketten noch alle mehr heißen. Und nach diesen Einteilungen verhalten wir uns. Das ist ganz natürlich und verständlich. Wir machen ja schließlich so unsere Erfahrungen; wir sind schlau geworden im Lauf des Lebens. Man kennt so seine Pappenheimer. Und jetzt sagt Jesus: Und wenn es tausendmal eure Erfahrung ist! Das Himmelreich ist anders. Im Himmelreich wird keiner vor der Zeit auf seine Vergangenheit festgelegt. Solange ein Mensch lebt, gibt es bei Gott wirklich die Chance des Neuanfangs - etwas, was sich leicht sagt, was wir einander aber kaum je zubilligen. Unser Umgang miteinander belegt, dass das Himmelreich und wir meilenweit voneinander entfernt sind. Kehrt um von Eurem falschen Weg! sagt Jesus. Bei Gott ist es anders als bei euch. Und die Gemeinde, die sich nach Jesus nennt und richtet, widerspiegelt etwas wieder von dieser anderen Wirklichkeit. - Wenn nicht in der Gemeinde, wo wird einem Menschen zugetraut, noch mal neu anzufangen, wenn eine Ehe gescheitert ist? - Wenn nicht in der Gemeinde, wo geben wir einem noch eine Chance, der mal bei seinem Chef in die Kasse gegriffen hat? - Wenn nicht in der Gemeinde, wo verabreden wir uns noch mal mit einem, der uns schon dreimal versetzt hat? Das Gleichnis vom Zugnetz ruft uns zuerst mal dazu auf, niemanden aufzugeben und jedem seinen Platz bei uns zu lassen. Seid gastfreundlich gegen jedermann - das ergibt sich aus dem Gleichnis ebenso wie die immer wieder gewährte Vergebung untereinander. Wenn also jemand im Gottesdienst ist, von dem wir denken: Also, was da zwischen uns gewesen ist - das trennt uns für alle Zeiten. - dann werden wir seine Anwesenheit trotzdem aushalten. Jesus tut es doch auch. Oder wir spüren: da ist mir einer in seinem Reden vom Glauben so fremd - mit dem kann ich einfach nicht!, dann wird dies trotzdem kein Grund sein, jemanden rauszuekeln oder selbst die Gemeinde zu verlassen. Jesus mahnt uns in diesem Gleichnis: Haltet die Unterschiede aus! Gemeinde ist mehr als ein Freundeskreis! Sympathie oder unser Geschmack sind nie die Grenze für das Himmelreich. Das ist das eine, was uns das Zugnetz - Gleichnis sagt. Du darfst dazugehören - egal, was war. Und: Grenze du keinen aus, dem Jesus seine Hand hingestreckt hat! Das andere folgt zeitlich danach: erst, wenn das Netz an Land gezogen ist, dann sehen die Fischer nach, was drin ist. Dann kommt eine Zeit der Entscheidung. Nicht wir, die Fische im Netz entscheiden dann, sondern die Fischer. Jesus selber hat dazu erklärt: Die Fischer, das sind die Engel Gottes, die am Ende dieser Welt die Bösen von den Gerechten scheiden. Wir alle gehen auf eine große Scheidung zu! Das ist wahr. Darin ist das Evangelium ganz eindeutig. Wie es bei den Fischen die mit Schuppen gibt, die von Gott für rein erklärt wurden und die ohne Schuppen, die wir nicht essen sollen, ebenso wird es am Ende eine Scheidung geben zwischen denen, die - wie Charles Spurgeon einmal gesagt hat - zu Gott sagen: Dein Wille geschehe und den anderen, zu denen Gott sagen wird: Dein Wille geschehe! Was der Mensch sät, das erntet er auch, sagt ein Sprichwort. Wer in diesem Leben eingeübt hat, sich der Liebe Gottes anzuvertrauen, der wird sich auch in Ewigkeit in dieser Liebe wiederfinden. Wer aber die Frage nach Gott immer wieder weggeschoben hat, den wird auch Gott wegschieben von seinem Angesicht. Oder? So denken und richten wir doch. Vorsicht. Schon haben wir das Netz verlassen und uns zu Fischern gesellt. Schon maßen wir uns die Weisheit und Einsicht der Engel Gottes an. Was im Herzen eines anderen vorgeht, das können wir bestenfalls ahnen. Urteilt nie über die anderen. Lasst beides miteinander aufwachsen, hieß es im Evangelium, das wir vorhin gehört haben. Und nun noch zu der technischen Anmerkung von Mendel Nun. Das Zugnetz wird nicht ausgelegt, um dann lange im Wasser zu bleiben. Das Besondere an dieser Fischtechnik ist die Geschwindigkeit! Ist das Netz einmal im Wasser, beginnen die Fischer auch schon mit dem Einholen. Nahe herbei gekommen ist das Himmelreich. - ruft Jesus aus. Nahe herbeigekommen ist die Zeit, sich zu entscheiden - heißt das bis heute für uns. Das Bild gerade vom Zugnetz mahnt auch zur Dringlichkeit unserer Lebensentscheidung. So wahr es ist: bei Gott gibt es kein zu spät, solange ein Mensch sich für die Gnade entscheidet. Ebenso wahr ist auch die Erfahrung, dass es Lebensläufe gibt, bei denen man den Eindruck nicht los wird: irgendwann ist es zu spät. Irgendwann finden Menschen den Raum zur Umkehr nicht mehr. Da kann nur jeder sich selber einschätzen. Wiederum gleicht das Himmelreich einem Zugnetz, das ins Meer geworfen ist und Fische aller Art fängt. Amen!

Björn Heymer