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Predigt zu Numeri 11, 10 - 25, Pfingstsonntag 3. Juni 2001

Liebe Gemeinde,

Heute hören wir auf eine Geschichte aus der Wüste, aus der Zeit, als Mose mit dem Volk Israel unterwegs war – weg aus der Sklaverei in Ägypten hin in das Land der Verheißung.

Diese Zeit wurde für Israel in vieler Hinsicht zum Modell für spätere Zeiten. In der Wüste wurden die Schwachstellen besonders deutlich. Und gerade hier – in der Zeit der Erprobung zeigte Gott, wie er an seinem Volk handelt.

Der Weg durch die Wüste war und ist bis heute die notwendige Station auf dem Weg von der Befreiung in das verheißene Land – für den Einzelnen ein Bild für den Lebensweg zwischen der erfahrenen Rettung durch Gott und dem Ziel des Glaubens, der ewigen Gemeinschaft mit Gott. Und auch für die Gemeinde ist die Wanderung durch die Wüste das Bild für die Situation, in der wir uns befinden. Wir sind nicht am Ziel. Vieles geschieht provisorisch und wie unter erschwerten Bedingungen. Wir leben nicht so, wie Gott es sich mit uns gedacht hat, ja, wie er es versprochen hat. Die Ankunft im verheißenen Land steht noch aus.

Die Mose-Geschichten zeigen uns, dass Gott sehr gut weiß, wie es um uns steht – in der Wüste. Er geht ja mit, er denkt mit und er versorgt seine Gemeinde in den entscheidenden Momenten mit dem, was sie braucht.

Ich lese aus dem 4. Buch Mose im 11. Kapitel

10 Als nun Mose das Volk weinen hörte, alle Geschlechter miteinander, einen jeden in der Tür seines Zeltes, da entbrannte der Zorn des HERRN sehr. Und auch Mose verdross es. 11 Und Mose sprach zu dem HERRN:

„Warum bekümmerst du deinen Knecht? Und warum finde ich keine Gnade vor deinen Augen, dass du die Last dieses ganzen Volks auf mich legst? 12 Hab ich denn all das Volk empfangen oder geboren, dass du zu mir sagen könntest: Trag es in deinen Armen, wie eine Amme ein Kind trägt, in das Land, das du ihren Vätern zugeschworen hast? 13 Woher soll ich Fleisch nehmen, um es all diesem Volk zu geben? Sie weinen vor mir und sprechen: Gib uns Fleisch zu essen. 14 Ich vermag all das Volk nicht allein zu tragen, denn es ist mir zu schwer. 15 Willst du aber doch so mit mir tun, so töte mich lieber, wenn anders ich Gnade vor deinen Augen gefunden habe, damit ich nicht mein Unglück sehen muss.“

Bernard Rootmensen, ein niederländischer Soziologe hat unsere postmoderne säkularisierte Gesellschaft mit dem Bild der Wüste beschrieben. Gesellschaftliche Trends, die wir alle täglich erleben, kann man deuten als Prozesse der Versteppung – das menschliche Verhalten und auch die Rahmenbedingungen werden zunehmend lebensfeindlicher.

Wie in einer Wüste wird es immer schwieriger, seinen Weg zu finden und zu gehen.

Wüste – das ist der Ort, an dem Mangel und Durst herrschen.

Kennzeichen zunehmender Versteppung in unserem Volk und in unserer Gemeinde sind:

- die Vereinzelung der Menschen: immer mehr Single – Haushalte in allen Altersgruppen; immer mehr scheiternde Beziehungen, immer mehr Kinder, die in sog. in Patchwork-Familien oder Rest-Familien leben; durch eine immer mehr geforderte Mobilität gelingt es immer weniger, dauerhafte Freundeskreise zu haben; Großfamilien an einem Ort gibt es kaum noch

- der Überlebenskampf wird härter – wer Arbeit hat, steht unter permanentem Druck – begleitet oft von der Angst, nicht mehr genug zu bringen und Jüngeren Platz machen zu müssen; wer keine Arbeit hat, fällt durch die Maschen der Gesellschaft;

- in der Folge haben viele immer weniger Zeit für Beziehungen – Gestern war das Thema der Wochenendbeilage der Zeitung: Wochenendbeziehungen. Und selbst die Wochenenden werden vollgepackt; die Arbeitszeiten verändern sich hin in die Abendstunden und das Wochenende; da wird es immer schwerer, Freundschaften aufzubauen, weil viele Menschen eben zu anderen Zeiten arbeiten. Gar nicht wenige können beim besten Willen nicht zu unseren Veranstaltungen kommen, einfach weil sie arbeiten müssen.

- unsere Gesellschaft ist seit langem kinderfeindlich und wirkliche Besserung ist kaum in Sicht. Die finanzielle Belastung von Familien ist oft so hoch, dass Kinder zum Armutsrisiko werden. Wohnraum ist so teuer, dass zu wenig Platz für Kinder ist; die viel zitierte Spaßkultur ist unerschwinglich; In manchen Einrichtungen sind Kinder eher unerwünscht. Mütter wollen oder müssen bald nach der Geburt wieder arbeiten.

All diese Trends machen nicht halt vor der Kirchentür. Was wir in der Gesellschaft kopfschüttelnd beobachten, das wirkt hinein in unsere Familien, auch in die Kreise und Veranstaltungen, in denen wir leben.

Mose war mit dem Volk in der Wüste unterwegs, als er Gott sein Leid klagte:

„Ich schaff das nicht mehr! Woher soll ich das nehmen, was diese Menschen brauchen? Manchmal denke ich, schon die Begleitung eines Einzelnen frisst meine ganzen Kräfte auf. Alleine kann ich das nicht!“

Ich kann Mose gut verstehen – es gehört zu meinen ständigen Erfahrungen: ich könnte und müsste eigentlich viel mehr tun. Hier jemandem gut zuhören – oder mal nachfragen, wie es so geht. Dort vielleicht eine Unterstützung anbieten oder noch einen Besuch machen – bei Konfirmandeneltern oder bei Trauernden. Und den eben nur angedeuteten gesellschaftlichen Herausforderungen auch nur etwas gerecht werden? Dazu fehlt einfach die Kraft.

Mose ist an dem Punkt, wo er die Brocken hinschmeißen will. Die Herausforderung ist einfach zu groß. Das macht die Wüste: sie führt Menschen an ihre Grenzen.

Nicht umsonst in gerade die Wüste seit jeher ein bevorzugter Ort der Gottesbegegnung.

Denn Gott ist da – in der Wüste des Menschen! Und er antwortet dem Mose:

16 Und der HERR sprach zu Mose:

„Sammle mir siebzig Männer unter den Ältesten Israels, von denen du weißt, dass sie Älteste im Volk und seine Amtleute sind, und bringe sie vor die Stiftshütte und stelle sie dort vor dich, 17 so will ich herniederkommen und dort mit dir reden und von deinem Geist, der auf dir ist, nehmen und auf sie legen, damit sie mit dir die Last des Volks tragen und du nicht allein tragen musst.“

 Einzelkämpfer haben in der Wüste schlechte Karten. Das hat Mose gelernt, das gilt heute für jede Gemeinde ganz genauso. Wenn es wahr ist, dass wir uns als Gemeinde in der Wüste befinden – in einem Lebensraum, der uns alle Kräfte abverlangt und manchmal sogar mehr als das, dann kommt es entscheidend darauf an, dass Menschen bereit sind zur Mitarbeit.

Geistlich gesehen war es eine Fehlentwicklung, als die evangelischen Kirchen in Deutschland in den 70er und 80er Jahren jede Menge Stellen für Hauptamtliche einrichteten, weil eben das Geld da war. Heute merken wir: eine Gemeinde, die nur davon lebt, dass bezahlte Kräfte ihren Dienst tun, die ist vielleicht überlebensfähig. Auf dem Weg in das verheißene Land ist sie nicht! Gott ermutigt den Mose, Ehrenamtliche in Leitungsfunktionen zu berufen. Menschen, die bereit und begabt sind, in ihrem Bereich verantwortlich mitzugestalten.

Wir haben das in unserer Gemeinde auch – und ich sage Gott von Herzen Dank für jeden Einsatz, der hier geschieht. Nur so ist Gemeinde auf einem guten Weg! Nur, wenn viele die Last des Volkes tragen, kann der Weg weiter gehen hin in das Land der Verheißung.

Und schließlich das dritte. Das, was diese Geschichte aus der Wüstenzeit zu einer Pfingstgeschichte macht: Gott gibt von seinem Geist.

24 Und Mose ging heraus und sagte dem Volk die Worte des HERRN und versammelte siebzig Männer aus den Ältesten des Volks und stellte sie rings um die Stiftshütte. 25 Da kam der HERR hernieder in der Wolke und redete mit ihm und nahm von dem Geist, der auf ihm war, und legte ihn auf die siebzig Ältesten. Und als der Geist auf ihnen ruhte, gerieten sie in Verzückung wie Propheten und hörten nicht auf.

 Leitungsverantwortung im Volk Gottes ist nicht in erster Linie die Aufgabe, etwas gut und treu zu organisieren und für die Bedürfnisse zu sorgen. Das liegt uns allen so nahe! Das scheint auch typisch deutsch zu sein.

Vielmehr werden die Ältesten mit dem Geist ausgestattet, den Gott erst dem Mose gab.

Bei verantwortlicher Mitarbeit geht es zuerst um die persönliche Gottesbeziehung. Das bedeutet für uns heute: Wer in der Gemeinde Leitungsverantwortung trägt, bei dem ist zuerst eine lebendige Spiritualität gefragt – ein gelebter fröhlicher Glaube, der ausstrahlt. Wem in unserer Gemeinde kann man abspüren, dass er oder sie gerne Christen sind? Dass sie geradezu begeisterte Christen sind. Darum geht es. Nicht eine Technik, die begeistert, sondern ein Gott, der begeistert, hat uns zum Dienst berufen.

Leben wir den Glauben überzeugend – im Gebet und der bewussten Abhängigkeit von Gott? – in der Praxis der Vergebensbereitschaft? – in der Treue zum Wort Gottes und zum Gottesdienst? Wer in unserer Mitte hat etwas gehört von Gott - in der Stille und hat etwas zu sagen zur geistlichen Aufgabe in unserer Gemeinde?

Die Antworten auf diese Fragen sind wichtiger als die Fähigkeit, Würstchen auf dem Grill umzudrehen, um es mal salopp auszudrücken.

Erstaunlich ist bei Mose nun: Die Geistbegabung ist nicht eine Voraussetzung für die Berufung! Die Voraussetzung für das Amt der Ältesten ist eher nüchtern: bewährte Leiter, Leute, die das Vertrauen der Anderen genießen.

Mit einer besonderen Gotteserfahrung ausgestattet waren sie alle nicht.

Was sie aber wohl mitbrachten: sie waren offen für eine neue Erfahrung.

Gott rüstet seine Leute dann aus, wenn sie es für einen Dienst brauchen.

Was dann da vor der Stiftshütte geschah, war sicherlich ausgesprochen befremdlich, ja, beängstigend und schockierend. Siebzig alte würdige Männer mit langen Bärten geraten in Verzückung – wir kennen eher das Wort Ekstase – wahrscheinlich tanzten sie herum, redeten in unbekannten Sprachen, sangen Gott Loblieder und hatten die Gabe der Prophetie.

Was soll das? So haben zu allen Zeiten Menschen gefragt, wenn Gottes Geist so etwas mit Menschen tut. Und gerade an diesen deutlichen Geistphänomenen haben sich immer wieder die Geister geschieden. Die einen sagen: Nur wo so was geschieht, ist Gott wirklich gegenwärtig – Andere bestreiten das immer wieder vehement und erklären alles unvernünftige für verdächtig.

Beides geht an dem vorbei, was Gott will, wenn er seinen Geist gibt.

Gott gibt seinen Geist nicht als ein Schauspiel! Wo der Geist Gottes Menschen ergreift, geht es um die Ausrüstung zum Überleben in der Wüste. Als Gottes Volk sind wir heute berufen, auf einem Weg zu gehen – nicht stehen zu bleiben und zu diskutieren, ob etwas verboten oder erlaubt ist. Als Gemeinde haben wir einen Auftrag und der lautet: Geht in das verheißene Land und nehmt die mit, die ihr auf dem Weg findet. Und lasst eure Lagerplätze zu Oasen werden für die, die ihren Lebensdurst sonst nicht stillen können.

Für diesen Auftrag rüstet Gott seine Gemeinde aus –mit seinem Heiligen Geist.

Gottes Geist macht aus begabten Menschen begeisterte Menschen.

Das ist ein entscheidender Unterschied! Neulich stellte mir jemand diese Frage: Bist du eigentlich gerne Christ? Und spüren das die Menschen um mich herum?

Mose bekam für seinen Auftrag 70 Menschen als Unterstützung. Das sind etwa so viele, wie in unserer Gemeinde zum Gottesdienst kommen.

Wir alle sind berufen – so verstehe ich diese Zahl. Lassen wir uns begeistern?

Amen!

Björn Heymer