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Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an. (1. Samuel 16, 7) Ev. Philippusgemeinde Köln Raderthal Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an. (1. Samuel 16, 7)

Predigt zum Osterantependium Röm. 8,20-23 und Joh. 3,16-17 - Sonntag Jubilate 2001

Liebe Gemeinde, 
an der Kanzel hängt jetzt in der Osterzeit ein künstlerisch gestalteter Teppich. 
Und dieser Teppich soll heute predigen - oder wenigstens die Predigt unterstützen.
Seine Grundfarbe ist weiß - die Farbe der Festzeit von Ostern und auch Weihnachten.
Und er zeigt ein Bild - abstrakt mit einer zutiefst geistlichen Aussage, wie ich meine.
Man sieht unten zwei braune Bögen, die sich nach oben wölben - sie könnten einen Hügel darstellen, oder gar den ganzen Erdkreis?
Von oben her - wie aus dem Himmel - kommen ebenfalls zwei Bögen. Der oberste ist fast weiß und auch der andere ist hellbraun. Diese Bögen überschneiden an der tiefsten Stelle die unteren Bögen. Und genau da ist das dunkle Braun heller. Man könnte meinen:
Der Himmel berührt die Erde und da verwandelt sie sich.
In der Mitte über den Bögen ein weißer Kreis. Darin ein altes christliches Zeichen: 
Das X ist der griechische Buchstaben Chi und das P ist griechisch Rho - es sind die beiden ersten Buchstaben des Wortes Christus. 
Dann ist auch noch ein Kreuz dargestellt - mit gleich langen Armen.
In drei Schritten möchte ich das Bild dieses Teppichs deuten:
1. Die Sehnsucht der Schöpfung 2. Gottes Sehnsucht und 3. Begegnung ist Entscheidung
1. Die Sehnsucht der Schöpfung 
In jedem Gottesdienst beten wir ein Gebet, das mit den Worten endet:
„Mit der ganzen Schöpfung, die sich wie wir nach Frieden und Erlösung sehnt, 
bitten wir dich um dein Erbarmen“
Stimmt das eigentlich? Sehnt sich die Schöpfung, die ganze Welt nach Erlösung? 
Sind nicht nur wir es, die darunter leiden, wenn manches schief geht?
Stimmt es? Leidet die Schöpfung auch?
Die Bibel sagt: Ja! Nicht nur der Mensch, auch die Schöpfung ist nicht so, wie sie sein sollte, nicht so, wie Gott sie gedacht hat. Auch das scheinbar schönste Paradies kennt das Leiden:
Schaut genau hin! Es gibt Tod und Vergänglichkeit. Es gibt Schmerz, Krankheit und Vergehen, Konkurrenz und Verdrängung.
Paulus hat in seinem Brief an die Gemeinden in Rom geschrieben (Kapitel 8):
20 Die Schöpfung ist ja unterworfen der Vergänglichkeit - ohne ihren Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat -, doch auf Hoffnung; 21 denn auch die Schöpfung wird frei werden von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. 22 Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick mit uns seufzt und sich ängstet. 23 Nicht allein aber sie, sondern auch wir selbst, die wir den Geist als Erstlingsgabe haben, seufzen in uns selbst und sehnen uns nach der Kindschaft, der Erlösung unseres Leibes.
Die Welt ist als Ganzes nicht so, wie sie gedacht war, wie sie sein könnte.
Mit der Abkehr des Menschen von Gott kam der Tod in die Welt - 
nicht nur als Strafe für den Menschen. 
Seither - und erst seither - ist es anstrengend und mühevoll, für das Überleben zu kämpfen.
Der Acker gibt seine Frucht nur nach dem Schweiß der Arbeit.
Erlösung - das ist die Freiheit zur Ruhe.
Auch wer gerne arbeitet, kennt dies: die Wohltat der Pause, des freien Wochenendes und des Urlaubs. All das sind Hinweise auf die tiefe Sehnsucht nach Erlösung, die in jedem Menschen steckt - und die steckt genauso auch in jedem Tier, ja in jeder Pflanze. 
Es ist die tiefe Sehnsucht nach Erlösung. Und Sehnsucht, das ist eine Bewegung.
So verstehe ich die beiden Bögen unten: die Welt, der Bogen ganz unten streckt sich aus nach oben - in einer Bewegung der Sehnsucht hin zum Himmel, nach Gott, nach Frieden und Erlösung.
Wenn wir das bei uns kennen, sind wir mit drin in diesem Bild. 
Das kann die Unzufriedenheit mit uns selbst sein, die wir gut verbergen und von der kaum ein anderer weiß.
Das kann die Begrenztheit sein, die wir spüren - durch Krankheit oder unseren ganz eigenen Lebensweg. Beides hält in uns die Sehnsucht wach, dass es einmal anders werden soll.
2. das Zweite, was ich auf diesem Bild entdecke, sind die beiden Bögen von oben. 
Wie ein Spiegel und doch anders. Wenn diese auch eine Bewegung zeigen sollen, dann ist dies die Bewegung des Himmels hin zur Erde. Nicht nur die Welt hat Sehnsucht nach Frieden und Erlösung. Gott sehnt sich nach Gemeinschaft mit uns und seiner ganzen Schöpfung.
Bei Johannes heißt es im 3. Kapitel:
So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. 17 Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde. 
Und aus dem Lukas-Evangelium haben wir gerade gehört, wie geradezu lächerlich der Vater seinem zerlumpten und verhungerten Sohn entgegenrennt - obwohl dieser doch wahrlich selbst schuld ist an seinem Schicksal. So hat Jesus von Gottes Sehnsucht geredet.
Dem Schöpfer ist sein Werk nicht gleichgültig. Gott ist geradezu vernarrt in uns, in Dich. 
Aus Sehnsucht nach Gemeinschaft mit seiner Welt beugt er sich - im Bild gesprochen - vom Himmel herab. So deute ich die beiden Bögen, die von oben sich runterbiegen. Gott hat sich auf den Weg gemacht und ist zu uns gekommen. Damit er Gemeinschaft haben kann mit uns. Damit die Welt gerettet wird aus ihrer Verlorenheit.
Der Himmel hat die Erde berührt! Gott ist ein Mensch geworden. Darum geht in der Mitte die Sonne mit dem Christus-Zeichen auf. Es ist die Sonne des Ostermorgens. Sie verkündet den neuen Anfang, den Sieg über die Nacht und die begründete Hoffnung.
Das Kreuz steht dafür, dass Jesus die Schuld der Welt auf sich genommen hat. Der Christus-Name sagt: Dieser Jesus war und ist der Retter von Gott her. Jesus, der Christus ist lebendig als Erster der neuen Schöpfung. 
Dieses Bild ist ein symbolisches Osterbild. 
3. Und nun noch ein dritter, etwas anderer Gedanke.
Begegnung ist Entscheidung
Ich gehe noch einmal zurück zu den Bögen unten. 
Ihr Verlauf könnte auch eine Lebenskurve darstellen.
Vielleicht kennen Sie das alte Motiv aus der Bauernmalerei, wo ein Lebenslauf mit einer Stufenpyramide dargestellt wird. Von der Geburt geht es hinauf über die Jugend bis zur Eheschließung und Elternschaft. Dann geht es auf der anderen Seite wieder runter über Alter und Krankheit bis zum Tod. So geht doch das Leben, wenn es normal verläuft. 
Irgendwann entdecken wir: der Höhepunkt ist überschritten und die Mühen des Alters beginnen. Und schließlich sterben wir. 
Wenn der Bogen unten nun so eine Lebenskurve darstellt, dann gibt es an einer Stelle die Berührung mit der anderen Kurve - die von oben. Das muss ja nicht gerade in der Mitte sein. Wichtig ist, was da passiert ist. Die meisten hier im Raum haben das erlebt: Da begegnet einer der Wirklichkeit des Glaubens. Plötzlich strahlt etwas ins Leben hinein und verändert es. 
Das Braun wird heller. Jemand hat gesagt: Hier ist der Ort, wo Hoffnung in die Welt kommt. 
Wo ein Mensch erkennt: es gibt mehr als unsere eigenen Möglichkeiten und Grenzen. 
Und dieser Überschneidungsbereich ist ein Bereich der Entscheidung. Genauso harmonisch wie sich der Bogen nach der Überschneidung wieder nach unten fortsetzen kann, kann er auch andersherum, nach oben weitergeführt werden. 
Es kann sein, dass Sie einmal Gott sehr persönlich begegnet sind. Sie haben etwas von seiner verändernden Kraft gespürt. Da war Hoffnung da und Zuversicht. Aber dann sind Sie doch den normalen Weg weiter gegangen. Vielleicht sind Sie darüber zum Zyniker geworden, zu einem Menschen, dessen Glaubenssatz so lautet: „Ein Mensch ändert sich doch nicht!“
Es gibt Begegnungen mit Gott, die führen nicht in die Freiheit der Kinder Gottes. Da hat jemand einmal etwas verstanden, oder gelernt oder gespürt, aber die Folge dieser Erfahrung ist eine geistliche Verhärtung. Wo einer weiß, worum es im Glauben geht, aber sich der Neuausrichtung seines Lebens verweigert.
Die andere Möglichkeit ist erst auf den zweiten Blick zu finden. Eine Kurve von unten setzt sich nach oben fort. Da wird nach einer Erfahrung mit Gott ein Lebensweg wirklich anders. Das nennt die Bibel Umkehr. 
Ein Mensch fängt an, Neues zu entdecken, wo der Himmel die eigene irdische Wirklichkeit berührt hat. So eine Berührung kann im Gebet geschehen, oder beim Hören einer Predigt, oder im Empfangen von Brot und Wein. 
Jeder ist an irgendwo auf diesem Weg. Vielleicht beantworten Sie einmal in der Stille ganz persönlich die Frage: wo sehe ich mich selber gerade? Im dunkelbraunen Bereich - mit der Sehnsucht nach einer Berührung Gottes - neu oder zum ersten Mal.
Oder in dem helleren Überschneidungsbereich - da haben Sie etwas wahrgenommen von Gott und da lebt die Frage in Ihnen: wie wird es wohl weitergehen mit diesem Gott?
Haben Sie vielleicht so eine Erfahrung hinter sich und blicken wehmütig zurück? 
Und merken auch: wovon die anderen sprechen in ihrem Glauben - das ist mir unerreichbar.
Vielleicht sehen Sie sich auch in der Aufwärtskurve - früher nannte man das den Weg der Heiligung. Da brennt die Hoffnung in ihren Herzen, da lebt ein Glaube, der zum Handeln drängt. Da schweigt die Stimme nicht sondern lobt den großen Gott.
Wo auch immer Sie sich wiederfinden - über allem geht auf die Sonne von Ostern. Das Bild ist eine Momentaufnahme - das Leben ist dauernde Bewegung. 
Die Berührung kann heute neu geschehen.

Amen!

Björn Heymer