Ihr Lieben,
warum sind wir heute eigentlich so früh aufgestanden?
Hätte es nicht gereicht, nachher um 10.00 Uhr den Ostergottesdienst zu
feiern?
Was ist das besondere an diesem Gottesdienst? Daran, das wir uns im Dunkel der
Nacht versammeln, um das Osterlicht zu empfangen?
Liturgisch sind wir gleichsam mit Jesus in die Finsternis der Grabhöhle
gestiegen.
Die Finsternis des Grabes auszuhalten, das gehört zur Ostergeschichte dazu.
Jesus ist nicht nur gestorben und dann wieder vom Tod auferweckt worden.
Er ist wie jeder Tote in ein Grab gelegt worden. Dort lag er zwei Nächte
und einen ganzen Tag bei den Toten.
Ich bin mehrmals rund um Jerusalem in alte Grabhöhlen aus der Zeit Jesu
gestiegen - allein, nur mit einer Kerze, die mir den Weg wies in der totalen
Finsternis. Still ist es in solchen Höhlen, und kalt. Wenn die Kerze verlöscht,
dann packt einen die Angst - man findet den Ausgang nicht mehr, man kann sich
stoßen oder irgendwo abstürzen.
Es gibt keinen Lichtschalter, keine Geländer oder Absicherungen.
Diese alten Grabhöhlen sind unheimliche Orte.
Unser Gottesdienst heute morgen setzt bewusst hier ein. In der Dunkelheit, in
der Stille und Kälte, in der es kein Leben gibt.
Wir sind heute morgen gleichsam in das Grab gestiegen, an den Ort der Toten,
der Ruhe und der Kälte. Und wir fragen uns:
Wie kann das, was vor so langer Zeit geschah, in Berührung kommen mit uns
heute?
Das Jesus dort war, wo die Toten sind?
Wir alle haben schon Menschen abgegeben an den Tod, losgelassen, mit Trauer
und Schmerz. Der Tod bricht als eine dunkle Wirklichkeit immer wieder in die
Welt der Lebenden ein - heute wie damals. Er ist und bleibt das große
Rätsel des Lebens - wir wissen nicht, was uns dann erwartet. Das ist das
Eine.
Und dann gibt es so etwas wie die kleinen Tode mitten im Leben.
Bereiche, die zu uns gehören, in denen der Tod regiert, in denen kein Leben
mehr ist, obwohl wir doch lebendig sind.
Vielleicht wagen wir es nicht mehr, unseren Lebenstraum von Glück, von
gelingender Partnerschaft oder von schmerzfreier Gesundheit zu träumen.
Da ist etwas in uns gestorben. Zu viele Enttäuschungen, zu viele Verletzungen
haben den Lebensmut getötet - und nun liegt dieser Mut längst begraben
da - und fehlt uns doch, um wirklich zu leben.
Hast Du deine Hoffnung begraben, weil sich die Angst als stärker erwiesen
hat?
Hast du aufgegeben, und rechnest nicht mehr damit, das in deinem Leben noch
etwas Großes geschehen kann?
Vielleicht bist du beruflich am Ende - der kleine Tod im Leben kann sehr unterschiedlich
sein.
Mit der Osternacht steigen wir hinab in unser eigenes Grab, schauen an, was
in unserem Leben tot und abgestorben ist, oder was wir nie haben aufleben lassen.
Wir steigen hinab und hören:
Jesus ist da! Er ist da, wo etwas abgestorben ist in deinem Leben und er berührt
das Tote in deinem Leben. "Hinabgestiegen in das Reich der Toten",
sagen wir im Glaubensbekenntnis. Er ist da und will das Osterwunder der Auferstehung
auch im Grab deiner Lebenshoffnungen vollbringen.
Das hat er lange vor seinem eigenen Sterben versprochen;er hat es angekündigt:
Was Gott an ihm tun wird, das wird er dann für seine Jünger tun.
Ich lese aus dem Johannes-Evangelium im 5. Kapitel die Verse 19-21
In diesen wenigen Sätzen Jesu geht es um seine Vollmacht. Um die Frage,
welcher Macht wir begegnen, wenn wir dem Licht von Ostern begegnen.
Wenn in unserem Leben Auferweckung aus dem Tod geschehen soll, dann nur aus
der Vollmacht Jesu.
Wie Gott, der Vater ihn aus den Toten auferweckt hat und ihn in neuer Weise
lebendig gemacht hat, genauso kann Jesus heute in unser Leben eingreifen.
Das ist etwas anderes als ein Appell nach dem Motto: "Kopf hoch, es wird
schon wieder!"
So ein Satz hat keine Kraft, so ein Satz kann nicht aus dem Tod erwecken.
Wo der Tod um sich gegriffen hat, da rettet nur eine größere Macht.
Ostern war keine Selbsterlösung des Sohnes. Die Dunkelheit des Grabes Jesu
ist das Gegenteil jeder Selbsterlösung. Ostern ist war der Schöpfungsakt
Gottes, der dem Sohn die Vollmacht gegeben hat, die Nacht unseres Todes in Licht
zu verwandeln.
Wo immer Hoffnung aufkeimt im Leben eines Menschen, der sich an Jesus hält;
wo einer es wagt, im Namen Jesu neu anzufangen,
wo jemand betet und dann neuen Mut empfängt,
da geschieht Ostern neu, da greift der Sohn ein und macht lebendig, wen er will.
Das können wir uns nicht selber einreden, das könne wir nicht machen.
Wir könne uns öffnen und darum bitten.
Wir können uns nach Jesus ausrichten und sein Eingreifen erwarten.
Mehr nicht. Aber das ist schon sehr viel.
Vorhin kam die eine Osterkerze in das Dunkel der Kirche hinein. Von diesem einen
Licht aus breitete sich das Licht aus und erreichte uns alle.
So ist es mit dem Osterglauben auch: Er entzündet sich an dem einem Licht
Christus - darum hören wir immer wieder das Osterevangelium - und er wird
weiter gegeben von Mund zu Ohr - von einem Zeugen zum Nächsten.
Das Licht, das wir in Händen halten, will die Dunkelheit aus unserem Leben
vertreiben.
Das Licht Christi möchte in alle Winkel unseres Herzens dringen,
möchte die Wärme des Lebens in unsere innere Kälte bringen,
die Lebendigkeit in unsere Erstarrung,
neues Vertrauen in unsere Angst und unser Misstrauen.
Gott hat den toten Jesus auferweckt - ebenso vermag der Auferstandene an uns
das Wunder tun, das wir Glauben nennen.
Wenn dieses Osterwunder geschieht, dann bricht heute morgen wahrlich ein Ostermorgen
an.
Zum Osterfest gehört das Halleluja! Es ist der biblische Jubelruf, mit
dem seit alter Zeit Menschen Gott gelobt haben. Halleluja kann man sagen - besser
ist, man singt es.
Die Auferweckung muss besungen werden. Es reicht nicht, wenn die Osterbotschaft
unseren Kopf erreicht. Sie will in unser Herz hinein und dort alle Trauer vertreiben.
Auch unser Leib will auferstehen. Deshalb brauchen wir das Singen und die Musik.
Im Singen wächst unsere Liebe zu dem, dem wir Lieder singen. Nicht nur
mit dem Mund - wir kommen in die Osterfreude hinein, wenn wir von ganzem Herzen
singen.
Amen!
Björn Heymer |