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Predigt zu Lukas 22, 31-34 Invocavit 2001
Liebe Gemeinde,
die Passionszeit ist eine Zeit ernsthaften Nachdenkens.
Es ist die Zeit im Jahr, in der Christen über die Schattenseiten
des Lebens nachdenken:
Jesus Christus, der Herr der Kirche, hat selber bewusst und freiwillig
gelitten
Schmerz und Leiden erfahren seither Menschen immer wieder auf verschiedenste
Weise –
Gibt es da Trost? Wie gehen wir mit eigenem Leiden um oder auch damit,
dass Menschen leiden, die uns nahe stehen?
Ich lade Sie ein, mit mir in den nächsten Wochen dieser Frage
nachzugehen:
Wenn unser Weg ein Weg des Leidens ist, was tut uns dann gut?
Oder, um es kürzer zu sagen: Was tut uns gut, wenn es nicht
gut um uns steht?
Nun werden vielleicht die meisten hier sagen: „Das ist nicht mein Thema!
Wieso Leiden?
Mir geht es doch nicht schlecht.
Warum soll ich über Leiden nachdenken, die ich gar nicht empfinde.“
Das gilt sicher für viele. Und das war schon zu Jesu Zeiten nicht
anders.
Simon Petrus – und mit ihm alle Jünger Jesu ist Beispiele dafür.
Petrus wird geschildert als einer, der es nicht verstand, wovon Jesus
sprach, als der vom Leidensweg redete.
Das Evangelium für heute ist ein Gespräch in vier Schritten:
Jesus beginnt: Simon, du wirst in Schwierigkeiten kommen! Lesen V.31
Dabei bleibt er nicht stehen: Sei getrost: Lesen V.32
Dann antwortet Simon: Mach dir um mich keine Sorgen. Mir geht´s
gut! Lesen V.33
Darauf noch einmal Jesus: Simon, du überschätzt dich! Noch
heute zerbricht in dir alles, auf das du jetzt noch vertraust. Lesen V.34
Ich vermute, die meisten von uns hätten ähnlich reagiert
wie Petrus damals.
Vielleicht nicht so vollmundig mit Todesbereitschaft, aber in der Sache
doch so:
„Mir geht´s doch gut. Ich fühl mich gesund und stark, auch
stark im Glauben an dich, Herr.“
Jesus wusste es damals besser als Simon; Jesus weiß es auch heute
besser als wir:
Selbst wenn wir uns stark fühlen;
eine Glaubens- oder Lebenskrise ist manchmal nur so weit weg wie ein
Augenblinzeln.
Ob wir das wahrhaben wollen oder nicht.
In drei Schritten möchte ich dieses Gespräch nachzeichnen
und dabei fragen:
Was tut uns gut, wenn es nicht gut um uns steht?
1. Jesus weiß, wie es wirklich um uns steht! 2. Jesus betet für
uns! 3. Jesus beauftragt uns!
1. Jesus weiß, wie es wirklich um uns steht!
„Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den
Weizen.“
Der moderne Mensch der westlichen Welt hat den Satan abgeschafft. Die
Angst vor dem Teufel, die in früheren Jahrhunderten einfach zum Weltbild
dazu gehörte, wird seit der Aufklärung als Relikt eines veralteten
magischen Weltverständnisses angesehen.
Wer heute noch vom Teufel spricht, gilt zumindest als verdächtig
und meist als hoffnungslos rückständig.
Dabei kennen und akzeptieren die meisten Menschen die Existenz einer
Macht des Bösen: Manche Ereignisse und Phänomene lassen sich
sonst einfach nur unzureichend erklären.
z.B. eine Verkettung schlimmer Ereignisse, die in einer Katastrophe
münden, wie jetzt das jüngste Zugunglück in England. Klar
kann man sagen: Pech, menschliches Versagen; unglücklicher Zufall.
So denken und reden wir, solange wir nicht betroffen sind.
Wer drin steckt und es erleidet, der erlebt es anders.
Der spürt etwas von der dunklen Macht, die dem Leben feind ist.
Hinter der Leugnung einer – wie auch immer benannten – Macht des Bösen
steht der Optimismus, der auch in den Worten des Petrus anklingt:
„Wir haben die Sache im Griff – was auch kommen mag.“
Jesus teilte diesen Optimismus nicht. Er sah seinen Weg ans Kreuz als
Teil eines Machtkampfes zwischen dem guten Schöpferwillen Gottes und
dem Machthaber dieser Welt – dem er in der Wüste begegnet war, als
er fastete.
Der Evangelist Johannes nannte es den Kampf des Lichtes gegen die Finsternis.
Die Welt, in die hinein Gott mit seinem Geist wirkt, ist nicht ein
neutraler Raum.
Jesus war das Licht , das in die Finsternis hineinschien – aber die
Finsternis hat es nicht ergriffen. Diese Finsternis, die das Licht nicht
ergreift, das ist Bild für aktiven und gewalttätigen Widerstand
einer dunklen Macht gegen das Licht der Hoffnung.
Wenn es so einfach wäre! Wenn das Reich Gottes sich durchsetzen
ließe, wenn nur alle Menschen guten Willens es wollten! So müsste
es ja sein, wenn es nicht den Satan als Macht des Widerstandes gegen das
Gute gäbe.
Auch bei bestem Willen, auch mit allen unseren Kräften können
wir oft nicht das durchsetzen, was wir wollen. Paulus hat es so formuliert:
„Das Gute, das ich tun will, das tue ich nicht, aber das Böse,
das ich vermeiden will, gerade das tue ich.“
Immer, wenn unsere guten Vorsätze scheitern, könnte uns das
ein Hinweis sein: wir haben es mit Mächten zu tun im Leben – Mächte,
die Gewalt über uns haben und die uns besetzen.
Und die dem Leben feind sind.
So sieht Jesus unsere Lage – er weiß, wie zerbrechlich unsere
Selbstsicherheit ist.
Er sieht hinter die Fassade der Stärke und Selbstsicherheit.
Jesus sagt es zu uns wie damals zu Simon: Es steht nicht gut um uns
– ob wir das selber sehen oder nicht. Der Satan schüttelt die Glaubenden
durch wie in einem Sieb.
Und jetzt die entscheidende Antwort: Was tut uns gut, wenn es nicht
gut um uns steht?
2. Jesus betet für uns!
Das kehrt alles um, was Menschen sich an Religion so ausdenken! Wir
meinen ja immer:
Wenn wir es mit Gott zu tun bekommen wollen, dann müssen wir vor
allem etwas vorweisen, etwas leisten. Seine Gunst will erkauft sein. Und
Glaube, das ist unsere Leistung.
Und Jesus kehrt die Sache um:
Dass wir ihm vertrauen können, dass in uns Glaube lebt, daran
hat Jesus noch viel mehr Interesse als wir. Er sitzt nicht wie ein König
irgendwo in einem Palast und wartet darauf, dass seine Untergebenen zu
ihm kommen. Jesus geht uns nach. Er sorgt sich um uns.
Paulus hat es so ausgedrückt: Der Geist Gottes bewirkt es, dass
Menschen glauben können.
Dass wir Gott Abba, lieber Vater nennen.
Und das gilt nicht nur für den Anfang des Glaubens. Gott bekehrt
nicht nur Menschen, um sie dann doch auf einem anstrengenden und mühevollen
Weg gehen zu lassen. Er ebnet selber immer wieder den Weg.
Jesus betet dafür, dass unser Glaube nicht aufhört.
Noch einmal Johannes. Er hat im 17. Kapitel seines Evangeliums eines
dieser Gebete Jesu für seine Jünger aufbewahrt. Da heißt
es ausdrücklich: „Ich bete nicht nur für diese Jünger, sondern
auch für alle, die durch ihr Zeugnis später zum Glauben kommen
werden.“
Jesus betet auch für uns heute.
Wenn wir uns heute fragen: Was tut uns gut, wenn es nicht gut um uns
steht?
Dann ist dies die erste und tröstlichste Antwort:
Jesus betet für dich, dass dein Glaube nicht aufhört!
Er will nicht, dass auch nur einer verloren geht, der von Gott geliebt
ist.
Dies ist gesagt gerade im Horizont der Tatsache, dass jedes Leben umkämpft
ist:
Dass „der Widersacher umhergeht wie ein brüllender Löwe,
der sucht, wen er verschlingen könnte“ – wie Petrus es später
einmal in einem Brief schreibt. Petrus wusste, wovon er sprach.
Er hat es erlebt, wie sein Glaube durchgeschüttelt wurde – wie
der Sand in einem Sieb.
Er hat es erlebt, wie alles ins Wanken kam und er nichts mehr hatte,
woran er sich festhalten konnte. „Der Satan hat begehrt, euch zu sieben
wie den Weizen!“
Passionszeit ist Zeit der Krise – nicht für alle gleichermaßen
– Gott sei Dank.
Darum hören alle, die gerade keine Glaubenskrise durchleben, einen
Auftrag von Jesus:
3. Jesus beauftragt uns!
„Stärke deine Schwestern und Brüder!“
Wir sind in der Gemeinde aufeinander angewiesen. Keiner, der immer
stark ist. Keiner, der nie ein tröstendes Wort braucht. Keiner, der
es nicht nötig hätte, dass für ihn gebetet würde.
Und so, wie wir alle auf die ein oder andere Weise Bedürftige
sind, so können und sollen wir alle einander dienen: Stärke deine
Schwestern und Brüder!
Das kann so aussehen, dass wie für Einzelne konkret und anhaltend
beten.
Oder dass wir Besuche machen, wo jemand einsam ist.
Gespräche anbieten oder auch nur zuhören.
Vielleicht finden wir den Mut, auch einmal miteinander in der Bibel
zu forschen – oder jemandem die Kassette eines Gottesdienstes mitzubringen
und gemeinsam zu hören.
Es gibt viele Möglichkeiten, einander zu stärken und zu ermutigen.
Wir sind in der Spur Jesu, wenn wir das tun. Er hat es vorgemacht.
Er hat uns beauftragt.
Der Dienst aneinander – das ist das andere, was uns gut geht, wenn
es nicht gut um uns steht.
Amen!
Björn Heymer |